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Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen

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denniz:
Hallo Tuff,
Ich finde deine Idee garnicht so abwegig. Wenn man bedenkt, dass der Mensch seit tausenden von Jahren
Pflanzenzüchtung zur Lebensmittelgewinnung betreibt, warum nicht auch zur Holzgewinnung?
Bzw. im Fall von Metasequoia Viehfutter.
Ich las erst gestern einen Artikel zur Poliploidität von Kulturpflanzen. Man versucht offenbar durch
Kreuzung wüchsigere Populationen aufzubauen, Schwerpunkt waren in dem Zusammenhang Pappelhybriden.
Dort wurde erwähnt, dass Poliploidität in Randgebieten einer Population ( z.B KM in Oregon) entsteht, wenn
durch ungünstige Temperaturschwankungen die Meiose beeinflusst wird.
Durch diese Mutation entstehen aber auch grössere Pflanzen (siehe Weizen).

gruß
Denniz

sequoiaundco:
Hallo Tuff,

ich wiederum halte deine These von der evtl. sogar menschlich initiierten kürzlichen Einwanderung ausgerechnet ins jetzige natürliche Verbreitungsgebiet für mehr als gewagt bzw. provokativ. Schließlich finden sich, wie auf der ganzen Nordhalbkugel, auch in China überall fossile UM-Reste (z.B. 11 000-jährig unter der Stadt Wuhan, ca. 500 km entfernt). Selbst in der kanadischen Arktis entsprach die Metasequoia-Biomassenproduktion im Tertiär der der heutigen old-growth Sequoiawälder oder der Cordillerenwälder in Südchile (Williams et al. 2003).

Deine Eichenerfahrungen (Standortrasse) zeigen, wie wichtig die Kenntnis und Beachtung der Entwicklungsgeschichte und Genetik einer anzupflanzenden Baumart ist. Leider ist das auch in China bisher zu wenig beachtet worden. Bei einer Reliktpopulation ist erwartungsgemäß die genetische Variation gering (UM: Hs= 0, 2341) gegenüber dem Durchschnitt der Gymnospermen (Hs = 0,386) (Li et al. 2005); aber sie ist erkennbar vorhanden, wie Kuser u.a. 1991 feststellten, als sie Allozymvergleiche bei den verschiedenen lokalen Herkünften machten. Verschiedene aktuellere Untersuchungen (z.B. Li et al. 2005) zeigen leider, dass diese genetische Variationsbreite bei den millionenfachen Anpflanzungen deutlich abgenommen hat. Die Massenverbreitung war sicher „gut gemeint“, aber durch Herkunftsmischung, Bevorzugung ausgesuchter Mutterbäume bei der Beerntung, Inzucht u.a. wurde zugleich langfristig gesehen die Anpassungsfähigkeit der Art gefährdet.
Die von dir zitierte Literatur (Tang et al. 2011) macht außerdem deutlich, wie im natürlichen Verbreitungsgebiet durch Umwandlung in Kulturland die Naturverjüngung ausbleibt und somit die Ursprungspopulation vom Aussterben bedroht ist.
Beide Entwicklungen belegen, wie durch planloses Handeln und Nichtbeachtung genetischer Voraussetzungen Eingriffe in die Natur katastrophale Folgen mit sich bringen können.
Seit 1984 beziehe ich immer wieder Saatgut vom gleichen Standort. Früher wollte ich mal dahin fahren. Dank dem von dir zitierten Tang u.a. erahne ich jetzt, wie es dort aussieht, und bin endgültig demotiviert.

chris  (sequoiaundco)

Tuff:
Hallo Chris!

Das war mir nicht bekannt, es ist ist sehr interessant ! Ich habe bisher leider nur wenig zu Metasequoia lesen können. Ich habe aber jetzt nochmal ein wenig im Internet gestöbert und folgendes gefunden:

[] Christopher J. Williams (2005): The Geobiology and Ecology of Metasequoia, Chap 9: Ecological Characteristics of Metasequoia glyptostroboides. Edited by B. A. LePage, C. J. Williams and Hong Yang. Springer 2005.

Darin: Chapter 9.2: Christopher Williams (2005): Ecological Characteristics of Metasequoia glyptostroboides: HABITAT AND NATIVE RANGE

"Most of the native population of M. glyptostroboides is found in an enclosed or blind valley at an elevation of 1050 m. The valley floor is relatively flat, predominantly underlain by Jurassic sandstone and has a drainage system dominated by the Modao River. This river terminates at the base of a Permian limestone cliff and re-emerges at the surface 10–20 km to the southeast.
(...)
Several populations of M. glyptostroboides exist as isolated stands within an approximately 800 to 1000 km2 region of Hubei, Sichuan and Hunan Provinces. It occurs as a constituent of the Mixed Mesophytic Forest and grows at elevations ranging from 800 to 1500 m (Fu & Jin, 1992). In extreme cases, unique, single-tree outliers exist away from the main populations (see Leng, this volume). Chu & Cooper (1950) reported that the largest population was centered in a 25 km long and 1.5 km wide area along the Modao River in the Shui-sha-ba Valley, Lichuan County, Hubei Province. Small stands (often less than 30 individuals) are scattered throughout this strip of land. (...) There are also scattered individuals in the Lonshan area of Hunan Province (ca. 100 km south east of the Shui-sha-ba Valley) and in Shizhu, Sichuan province (ca. 75 km south west of the Shui-sha-ba Valley). (...)
Several lines of evidence suggest that M. glyptostroboides may have been more widely distribution in the recent past. These include: (1) the aforementioned single tree outliers that may pre-date extensive human settlement of the region about 200 to 300 years ago and (2) sub-fossil remains of Metasequoia wood found in peat deposits in the Shui-sha-ba Valley and as far away as Wuhan, China (Bartholomew et al., 1983; Kuser, 1999; Yang et al., 2004). Finally, there is historical evidence (see Litoff, this volume) that M. glyptostroboides may have existed in other areas of China as late as the 1920s. There is a general consensus that human activity and expansion of agricultural activities played some role in the recent range contraction of M. glyptostroboides. This idea is supported by palynology studies that have correlated decreases in the amount of forested land cover with the expansion of agriculture in neighboring regions of China (Jiang & Piperno, 1999; Ren, 2000; Yi et al., 2003)."

Ich muß sagen, wahrscheinlich hast Du recht. Die Idee (bitte nicht These nennen!) daß Menschen an der Verbreitung beteiligt sein könnten, lässt sich nicht belegen und ist sehr unwahrscheinlich.

Allerdings, und deswegen habe ich das geschrieben, lässt sie sich auch nicht sicher ausschließen. Meine Idee war ja, daß vielleicht die Haupt-Population im Shuisha-Valley von Menschen eingeführt wurde, weil (1) der älteste Baum 'nur' ca. 400 Jahre alt ist, und die meisten bedeutend jünger sind; und (2) eine genetische RAPD Analyse nahelegt, daß die Bäume sich erst 'in jüngster Zeit' (auf die sich aber niemand festlegen mag) ausgebreitet haben, von einer kleinen Startpopulation aus. Zwar wurde das Tal erst vor 200 - 300 Jahren intensiv besiedelt; aber natürlich gibt es keinen Beleg dafür daß nicht früher schon eine Besiedelung stattfand, die danach weitgehend erloschen ist. So etwas ist oft klimabedingt, und in der Historie von Germanien etliche male vorgekommen (zB. alte Keltensiedlungen).

Die Frage die sich stellt, ist ja, wie kommen die Bäume in das abgelegene Hochtal, also flußaufwärts und hangaufwärts von eventuellen früheren Populationen ? Daß einzelne Samen 70 km weit fliegen, und sich dann auch noch ansiedeln können, halte ich für extrem unwahrscheinlich.

Also hätten wir folgende hypothetische, aber wahrscheinliche Situation: Eine größere Population, vermutlich im südlichen? Tiefland?, verschwindet, möglicherweise auch durch menschliche Landumwandlung (Reisfeldbau) bedingt. In Randbereichen überleben einzelne kleine Groves und von einem dieser Rest-Groves aus wurde dann das Hubeui-Gebiet besiedelt. Die vormaligen Rest-Groves verschwinden inzwischen, bis auf die genannten Outlier, ebenfalls

Das muss aber durch fossile Funde in direkter Nachbarschaft (100 km?) belegt werden (was ich in meinen Original-Posting ja bereits nahegelegt habe) und solche waren mir bisher nicht bekannt. Von den Quellen die mir zur Verfügung stehen, war die Neueste Yang, H. (1998) (From fossils to molecules: the Metasequoia tale continues) worin steht:

"The youngest Metasequoia fossils found in China are from Middle Miocene deposits (about 15 million years before present) in Jilin Province, more than 2,000 kilometers (1,240 miles) northeast of Metasequoia Valley, and in Taiwan, an island more than a thousand kilometers (620 miles) east of the present native opulation. Despite fifty years of intensive searching (Li 1995), no post-Miocene Metasequoia has ever been found in China."

Daher ist Dein Statement, daß es 11.000 Jahre alte Fossilienfunde gibt, äußerst interessant ! Hast Du für diese Aussage eine Referenz ? Falls es in "Geobiology and Ecology of Metasequoia" steht: Das Werk ist außerhalb meines finanziellen Rahmens und ich kann momentan auch keine Bilbiotheksbesuche machen (zuviel zu tun). Wenn Du daraus die entsprechenden Seiten scannen/kopieren könntest, wäre ich Dir sehr dankbar ! (Email steht in meinem Profil)

lg - tuff

Tuff:
Mir fällt gerade auf, daß wir hier dabei sind, vom Thema des Threads abschweifen :) obwohl andererseits Metasequoia ein hervorragendes Beispiel für Inzuchtdepression ist. Aber zur Paleobiologie von Metasequoia sollten wir lieber einen eigenen Therad aufmachen - falls Interesse besteht. Ich muß aber leider jetzt schon sagen daß ich in diesem Jahr wahrscheinlich nicht mehr viel dazu schreiben oder recherchieren kann. Ich würde meinen Beitrag aber gegebenenfalls dorthin migrieren.

Um noch einmal auf die Selbstbestäubung zurückzukommen. Kleine Pionier-Populationen, die in mikroklimatisch / standörtlich verschiedene Gebiete vordringen, können dort über viele Generationen genetische Unterschiede entwickeln, welche die genetische Bandbreite der Art in der Summe sogar erhöhen, obwohl die Variabilität jeder kleinen Teilpopulation gegenüber der zentralen 'Großpopulation' geringer wurde.

Die leichten Unterschiede darf man übrigens nicht pauschal als Anpassung deuten. Sie können auch zufällig, aufgrund der geringen Individuenzahl, durch den Ausfall weniger Bäume zustande kommen und dann auch am gegebenen Standort nachteilig sein.

Solche 'Varietäten' oder 'Subspecies' (?) kann man natürlich bei der Saatgutgewinnung / Anpflanzung mischen. Ob man aber die spezifischen Typen, als solche, am Standort erhalten soll, ist eine spannende und fast schon moralische Frage. Für den Bergmammutbaum hat der NPS die klare Entscheidung gefällt, daß in einen Grove keine Fremdherkünfte eingebracht werden dürfen (dort wurde punktuell zu wissenschaftlichen Zwecken gesät oder gepflanzt.) Der Forest Service hingegen, verantwortlich für die Groves des GSNM, vertritt m.W. die Ansicht, daß die Genetik 'angereichert' werden soll.

sequoiaundco:
Hi Tuff,

hier kurz die Quelle:  http://arnoldia.arboretum.harvard.edu/pdf/articles/523.pdf
John E. Kuser. Metasequoia glyptostroboides: Fifty Years of Growth in North America.
"Professor Li Minghe of Huazhong University in Wuhan, who was responsible for the 1991 seed shipment, reported that the species’ range had been much more extensive until quite recently; indeed, 11,000-year-old Metasequoia logs have been found buried under the city of Wuhan, about five-hundred kilometers (three hundred miles) from Modaoqi, the center of the species’ present range. This may help to explain the amount of genetic variation that still exists."

Unter  http://www.openisbn.com/preview/1402026315/  sind übrigens einige ganze interessante, allerdings lückenhafte Seiten zum Thema Verbreitungsgeschichte aus "Geobiology and Ecology of Metasequoia" als Read online lesbar.

Wichtig in diesem Zusammenhang der genanalytische Nachweis von Li u.a. 2003, dass genetischer Drift und Inselbildung schon lange vor der Entdeckung 1941 durch menschliche Kulturmaßnahmen stattfanden. 


chris  (sequoiaundco)

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