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Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen

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Tuff:
Hallo allerseits (bin wieder da) !

Die Fremen sagten nach ihrem ersten Kampf mit den Sardaukar: Einige von denen waren gute Kämpfer. (Dieser Kommentar hat den Kaiser schockiert!)

Ahem.

Aus der Fachliteratur kann man Hinweise entnehmen, daß ein purging Effekt bei Selbstung existiert. Allerdings werden unter vielen Nachkommen nur ganz wenige 'gut' sein.

Bei einer Nachzucht von 'deutschen' Bäumen (eigentlich aber auch generell) kommt es also darauf an, die Besten herauszufinden, und nur diese später zu Bäumen heranwachsen zu lassen. Mit anderen Worten, Züchter sollten eine strenge Selektion betreiben.

Stellt sich die Frage, hinsichtlich welcher Eigenschaften. Ich denke, 'guter Wuchs' ist relativ klar zu erkennen. Es hilft aber, sich einmal folgendes vor Ohren zu halten:

Ein hier bei uns ausgepflanzter Baum sollte m.E. in erster Linie gut mit seinen eigenen Umweltbedingungen zurechtkommen, d.h. spezielle Anpassungen an die Sierra Nevada machen u.U. keinen Sinn mehr. Wenn lokale Anpassungen, dann aber bitte auch hinsichtlich einer potentiellen Fortpflanzung, alles andere macht biologisch keinen Sinn.

Bei uns in Deutschland sind Pilzinfektionen der Keimlinge, und Winterschäden bei den Sämlingen, das größte Problem. Als nächstes muß der Sämling sich gegen Unkraut (einschließlich ggf. Brombeeren und Schlingpflanzen) und die Sämlinge anderer Baumarten durchsetzen. Das ergibt sich daraus, daß wir einen Waldbrand nicht voraussetzen dürfen, eine Naturverjüngng aber überhaupt nur auftreten kann, wenn Same und dann Keimling mehrere Monate lang ununterbrochen feucht gehalten werden. Diese Bedingungen sind selbstverständlich für andere Pflanzen genauso attraktiv ! Es wird jede Menge Konkurrenz geben.

Sobald das Bäumchen sagen wir einen Meter hoch ist, kommte es vermutlich gut zurecht, weil Taxodiaceen nun mal sehr schnell wachsen. Die ersten 5 Jahre sind daher m.E. die kritische Phase, in der eine Selektion stattfinden muß.

Was bedeutet das für die Anzucht ?

Man kann eine Selektion nicht im Gewächshaus oder an der Fensterbank betreiben. Man sollte die Keimlinge und Sämlinge der Witterung draußen aussetzen, und hohe Ausfälle einplanen. Man sollte sie auch von vorneherein einer Konkurrenzvegetation aussetzen. Eine Aussat in einzelnen Töpfen macht dann fast keinen Sinn mehr. Aufgrund der angestrebten Ausfälle sind Töpfe eventuell generell nicht mehr effizient. Besser wäre ein spezielles Saatbeet.

Die Sämligne werden dann erheblich langsamer wachsen, als potentiell möglich. Wenn man sie im zweiten oder dritten Jahr auspflanzen möchte (was wegen des starken Wurzelwachstums zu empfehlen wäre), werden sie noch sehr klein sein. Es ist gut für die Selektion wenn sie sich in dem Stadium bereits 'bewähren' müssen.

Es wird jedoch wiederum Ausfälle geben. Ich gehe derzeit so vor, daß ich an einer Stelle gleich 3 - 5 Sämlinge pflanze. Durch meine Aussat in großen Kisten entstehen sowieso oft kleine Büschel von mehreren Sämlingen. Am Ende bleibt hoffentlich wenigstens einer übrig. Falls zuviele es schaffen, kann ich immer noch welche abknipsen. Ich würde aber ein paar Jahre damit warten, um sicher zu gehen. Oder ich lasse zu daß 2 oder 3 zusammen wachsen, eventuell bildet sich ja sgar ein gemeinsamer Baum daraus.

Ich will nicht sagen daß meine Methode die beste ist - sie hat sich u.a. auch aus der Not entwickelt, mangels Möglichkeiten der Pflege bei einer 'remote' Aufzucht. Andererseits wollte ich von Anfang an die Faktoren einer Naturverjüngung studieren, und ich glaube ich habe über die vergangenen 10 Jahre eine Menge gelernt.

Es ist jedoch klar, daß eine strenge Selektion hohe Ausfälle bedeutet. Man braucht nicht unbedingt viel Platz (man kann auch sehr dicht säen), aber man braucht auf jeden Fall eine große Menge Samen. Dieses Prinzip, eine große Samenmenge und dann nur die paar besten auswählen, sollte man als verantwortungsvoller Verein aber vertreten, finde ich. Man muß dann die Nachzucht einheimischer Bäume nicht generell verteufeln.

Ein gutes Beispiel für mein Prinzip ist ein Bäumchen aus Converse-Basin Samen. Schon die aufkommenden ca. 10 Sämlinge wurden in den ersten 3 Jahren generell von Pilzen befallen und wurden partiell braun (während andere Herkünfte direkt daneben symptomfrei blieben). Sie trieben jedoch in beeindruckender Weise jedesmal wieder neu aus, weswegen ich am Ende das 'beste' Bäumchen in meinen Genpool-Grove pflanzte. Dieses wurde in diesem Sommer, in seinem 4 Jahr, bei guter Vitalität und einer Menge Nadelmasse, jedoch schon wieder braun und verdorrte zu 70%. Andere Herkünfte in direkter Nachbarschaft blieben größtenteils grün und vital.

Diese wiederholt sich zeigende Schwäche ist m.E. genetisch bedingt, und ich werde das Bäumchen entfernen. Das ist schade nach 4 Jahren der Pflege. Mitleid habe ich aber nicht. Ich bin sogar froh daß sich die Schwäche so deutlich zeigt.
 


Manfred:
Grüß euch ihr Gentechniker,
also ich habe mir die letzten Tage (Wochen) diesen Thread tatsächlich komplett durchgelesen.  :P Solche kontroversen Diskussionen sind es sicher auch, die ein Forum beleben, obwohl manche Wortmeldungen schon ziemlich entbehrlich waren – und zwar von beiden Seiten.
Ich persönlich verstehe den Versuch den anderen seine eigene Meinung quasi aufzudrängen, oder sagen wir mal zu versuchen ihn zu überzeugen. Das ist doch naturgegeben. Auf der anderen Seite lässt man sich zwar gerne informieren, aber sicher nicht belehren. Und falls man sich bei seiner eingefrästen Meinung wirklich einmal bewegen sollte, dann ist das ein Prozess, und keine kurzfristige Erkenntnis. Aber das war es eigentlich nicht was ich mit diesem Posting sagen wollte… ::)

Mir persönlich haben die diversen Ausführungen auf jeden Fall meinen Blick in Sachen Vererbungslehre ziemlich geschärft und mich auf dieses Thema auch sensibilisiert, obwohl es schon manchmal wirklich harter Tobak war. Und damit meine ich nicht die Buchstabenkolonnen von Remi (danke, war sehr aufschlussreich  ;) ), sondern eher das Zusammenspiel von Genen / Allelen / Chromosomen, etc. und die möglichen Auswirkungen in der Praxis. Denn wie auch schon andere hier sich outeten: auch ich war und bin ein gentechnisches „Nackerpatzl“ (hoffe ihr wisst was ich meine) 8) .
Sehr interessant finde ich immer die Beiträge von Tuff, der sich immer von der wissenschaftlichen Seite her meldet und das in einer ungemein sozial verträglichen, ja fast schon versöhnlichen Art und Weise.

Zu meinen persönlichen Erkenntnissen:
Auch ich war einer, der seine Samen am liebsten selbst gesammelt hat, und nach dem ansähen versucht hat es den Samen, und später den Sämlingen, so „kuschelig“ als möglich zu machen. Inzucht, Genpool, Purging oder Phänotyp hat mich nie interessiert (sind aber auch nur in speziellen Fällen wirklich relevant denke ich).

Meine (Haupt-) Erkenntnis aus den Thread ist vor allem, dass diese Begriffe einem Baumfreund, insbesondere wenn er nicht nur für seinen eigenen Garten ein paar Bäume aufzieht, sehr wohl interessieren sollte!

Ich bin bei den meisten „großen Fragen“ immer einer, der sich nicht einem Extrem zugehörig fühlt, so auch in dieser Frage. Ich denke schon, dass man die Inzucht wo es einfach möglich ist, verhindern sollte. Wenn jedoch diverse 3,2,1 Käufer oder begeisterte Samensammler von Einzelbäumen mit ihren Samen bzw. Bäumen glücklich sind, wird die (Mammut-) Welt nicht untergehen.  ;D

Falls einer jedoch eine größere Anlage plant, oder so wie auf dieser Plattform immer wieder Samen oder kleine Bäume anbietet, sollte er/sie schon etwas von dieser Flaschenhals- bzw. Vererbungs-Problematik verstanden haben. Ob und wie viele Samen man sich dann von den Naturstandorten holt, wird wohl jeder selbst für sich entscheiden müssen --> aber sich gänzlich auf Mutter Natur (Purging) zu verlassen, wäre mir hier andererseits auch etwas zu einfach gegriffen.

Ich werde in Zukunft auf jeden Fall „mit Bedacht“ Samen besorgen oder kaufen. Und wenn mir einmal eine ganze Reihe von Sämlingen eingehen, sehe ich das nun auch mit anderen Augen. Eine so harte Selektion wie Tuff werde ich jedoch meinen Kleinen sicher nicht antun können, da bin ich viel zu soft.  ::) ??? :D

lg
Manfred
 

Bakersfield:
Hallo Manfred,

finde ich super, dass du dich so ernst- und gewissenhaft mit dem Thema beschäftigst... :)

Ist teilweise ziemlich anspruchsvoll. Und emotional natürlich auch. Wie so vieles hier, was diese besonderen Bäume betrifft. Die Wahrheit liegt für mich, wie so oft, in der Mitte... ;)

Viele Grüße,
Frank
 

denniz:
Hallo Manfred,
da kann ich mich dem Frank nur anschliessen: Danke für deine Ehrlichkeit!  :)
Es haben sich schon viele "Profis" auf diesem Gebiet eine Menge Gedanken gemacht,
und auch publiziert, grosse und kleine Fehler sind selbst in forstlichen Versuchspflanzungen gemacht worden.
Oft werden unbewusst oder aus Mangel an Alternativen derartige Fehler gemacht (KM-und BM-Klone/Burgholz)
Ich habe mir kürzlich dazu auch Literatur aus der Forstgenetik besorgt, es gibt Generhaltungsprogramme und
zertifizierte Saatgutbestände für Forstpflanzen. Nicht nur um erwünschte Eigenschaften
zu erzeugen, eben auch um den Genpool zu erhalten. So gibt es beispielsweise an verschiedene
Standorte angepasste Fichtenpopulationen die für die jeweilig entsprechenden Standorte angeboten werden.
Neben der Arterhaltung spielt also sogar die Anpassung an das Kleinklima
ebenfalls eine wichtige Rolle in den Sortimenten.

Tatsächlich wird nun fast jeder selbstgezüchtete Mammut-Baum seinen Züchter überleben.
Insofern ist da schon eine gewisse Verantwortung nicht von der Hand zu weisen.
Umso besser also wenn man sich hineinstürzt in das "unbekannte Land" der Populationsgenetik..... ;D

weiterhin viel Spass dabei wünschend
Denniz








Manfred:
Werte Gentechnik-Freaks, ;)

habe gerade einen Beitrag in "unsererm" ORF gelesen, welcher zwar nicht ganz zur "Pflanzenwelt" passt, aber sehr gut zum Thema in diesem Thread. Deshalb möchte ich ihn mit euch teilen.

Für mich bedeutet diese wieder einmal, dass wir noch lange nicht genug (und schon gar nicht alles) über die Vererbungslehre wissen:
http://science.orf.at/stories/1756694/

lg
Manfred

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