Mammutbäume (öffentlicher Bereich) > Experten- und Fachbeiträge
Können tief wachsende Äste von Mammutbäumen anwurzeln ?
xandru:
Hallo Frank,
--- Zitat von: Bakersfield am 26-Juli-2014, 00:29 ---Und dass der Ast senkrecht nach oben strebt, ist logisch, da er ja von oben nicht von anderen Ästen beschattet wird. Er meint sozusagen, dass er eine neue Krone aufbauen kann/soll... ;)
--- Ende Zitat ---
Darüber weiß ich zu wenig. Strebt denn ein Ast nach oben, einfach weil er nicht von oben beschattet wird? Wieso gibt es dann nach Kronenschäden so oft den „Baum im Baum“ – mitten im Schatten?
Ich hatte es mir immer so zurechtgelegt: Eine gesunde Spitze sendet Auxine aus und verhindert, dass die anderen Triebe senkrecht nach oben wachsen (Apikaldominanz). Im Falle dieser Triebe wäre also zu erklären, warum trotz intakter Spitze des Gesamt-Organismus ein vertikales Wachstum stattfindet. Mein Eindruck ist schon, dass hier ein neues Individuum am Entstehen ist.
Könnte das vertikale Wachstum ein Indiz für Bewurzelung sein? Ich sehe, dass mir für derartige Fragen elementare Kenntnisse in Biologie fehlen.
Unkenntliche Grüße,
Wolfgang
PS: Kann der forstliche Experte Unterschiede in der Anmutung der Strukturen feststellen? Die Nadeln wirken mir persönlich nämlich juvenil, während das verholzte Gewebe auf mich einen reiferen Eindruck macht. Für die Anmutung von Laub oder Ästen haben wir noch keine Terminologie, obwohl jeder sicher schon solche Unterschiede beobachtet hat.
Tuff:
.... und in einem ganz anderen Thread wieder auf !
(Edit: Habe Deine Antwort nach meinem Posting erst gesehen, Wolfgang. Scheint aber gut zu passen.)
Ich glaube was Wolfgang bei dem Mainau-Baum irritierte, ist der ast-unähnliche Habitus der (Stark-)Wuzel. Das ist aber genau das, was BM- und KM-Äste manchmal machen, Äste die sich wie eigene Stämme entwickeln. Fachlich könnte man das eine polykorme Wuchsform nennen, sie ist eine Folge der schwachen Apikaldominanz (Auxin-Unterdrückung) welche ich irgendwie wunderlich finde. Sie fällt mir seit Jahren schon auf und ich bin auch immer verblüfft.
Wir kennen diese kleinen Stämme eigentlich eher aus den Kronen von großen Bäumen.
Hier zwei kleine Eigen-Stämmchen in der Krone (Frank, meintest Du die mit "Astl"?) zweier benachbarter ca. 100j BM in Bonn Endenich, Auf dem Hügel:
Tuff:
Aber Eigen-Astel können eben auch ganz unten vorkommen. Hier ein vermutlich zukünftiger Wuzel einer der o.g. Bäume (beide Fotos derselbe Ast, aber aus verschiedenen Jahren):
Bakersfield:
Hallo Wolfgang,
ich kann es auch nicht durch Biologie- Biochemie oder sonst was erklären, aber für mich geht's beim BM immer nur um's Licht. Na gut, manchmal geht's auch um's Wasser...;-) Er spürt kleinste Veränderungen (in einem Lux-Bereich, den wir gar nicht wahrnehmen) und reagiert erstaunlich schnell. Wenn also eine alte Krone ausbricht, heißt das für alles darunter mehr Licht. Da die Astenden gewöhnlich eh nach oben möchten, haben sie jetzt freie Bahn. Und breiten sich aus. Gerne auch relativ unkoordiniert. So entsteht auf Dauer großes Chaos in den alten Bäumen und die Botenstoffe sind damit überfordert. So mein Eindruck. Letztendlich spielt es ja auch keine große Rolle. Apikaldominanz ist wohl eher etwas für schnelllebigere und modernere Organismen, während der archaische BM diese Entwicklung in seiner eigenen Sphäre verschlafen hat... ;)
Viele Grüße,
Frank
Tuff:
(Edit: Frank war schneller ! Sein Kommentar bewegt sich anscheinend auf derselben Wellenlänge:)
Intuitiv würde ich sagen, die Mammutbäume weisen hier ein erdgeschichtlich urtümliches Merkmal auf, welches einem anderen Klima entspricht.
Um das Phänomen zu verstehen muß man wahrscheinlich bei Pflanzen beginnen, die ausgesprochen wenig Apikaldominanz aufweisen. Etwa Bärlapp oder Selaginella (Moos). Mir fällt auf Anhieb nicht viel mehr ein, aber eines weiß ich sicher, um mehr Beispiele zu finden würde ich ins Tropenhaus gehen :) - vor allem bei den epiphytischen Pflanzen im Kronen-Schatten des 'Dschungels' kommt es darauf an, jedem womöglich noch wandernden Lichtflecken entgegenzuwachsen; die Konzentration auf einen Haupttrieb war dort nie notwendig.
Das warme Klima mit ständig guter Wasserversorgung macht eine relativ schnelle Bewegung (sei es durch Wachstum oder aktives Wenden) erst möglich. Bei Wüstenpflanzen oder in höheren Gebrigslagen findet man diese aufgrund der verlangsamten Stoffwechselvorgänge, und der Notwendigkeit zu massivem Schutz- und Stützgewebe, nicht. Zwar kann die Zerstörungskraft dieser unwirtlichen Umwelten ebenfalls zu Vielstämmigkeit führen, hier jedoch aufgrund absterbender Knospen und Spitzen.
Wie kommt man nun von dieser 'tropischen' Situation zu den Mammutbäumen ? (Zunbächst mal nur BM und KM; bei Metasequoia u.a. sah ich bisher keine Astel oder Wuzel, bei Cryptomeria auch nicht, halte sie hier aber für sehr wahrscheinlich)
Beim KM ist das nicht so schwer, die Coast Ranges werden ja auch temperierte Regenwälder genannt und die Situation (Schatten, wenige lichte Öffnungen) ist vergleichbar. Allerdings scheinen sich beim KM (nach den Bildern die mir zur Verfügung stehen) 'Astel' eher aus Knospen waagerechter Starkäste, direkt aufwärts wachsend, zu entwickeln, anstatt aus sich an den Enden umbiegenden Seitenästen. Ich sehe ansonsten eher eine Veranlagung zum wiederholten Zwiesel (Iterationen). Hierzu fehlt mir aber einfach Bildmaterial.
Beim Bergmammutbaum denken wir an beigemischte Douglasien und Kiefern und meterhohen Schnee, das passt so ganz und gar nicht. Unter Schneelast auseinanderbrechende Kronen sind ja nicht wirklich clever, und Douglasien und Kiefern sind an Trockenheit angepasst. Trotz regelmässiger Wärmegewitter zeitweise knochentrockene Sommermonate wecken überhaupt keine tropischen Gefühle: Auch wenn wir wissen, wie die BM ihr Wasser bekommen, müssen sie doch zumindest in der Krone ein 'Trocken-Klima' erdulden. Sonnenlicht ist bei einer Reproduktion in offenen Flächen nach Waldbrand auch keine Mangelware. Wozu also immer noch diese schlangenhafte Agilität ?
Ich kann nur immer wieder betonen, daß dieser Baum urtümliche, tropische (oder genauer, neo-tropische) Merkmale aufweist, weil er sich erdgeschichtlich gesehen noch nicht so lange in der heutigen klimatischen Situation befindet. Ein paar tausend Jahre im 'modernem' Sierra-Klima und davor die für mich immer noch rätselhafte Selektion während der Eiszeiten haben die Apikaldominanz vielleicht flexibler gemacht, aber nicht in dem Maße intensiviert (also auf 'stark' beschränkt) wie das offenbar bei unseren einheimischen 'Koniferen der Fall ist.
In der modernen Welt scheinen sich die Giant Sequoias vor allem aufgrund ihrer Größe und ihres Alters noch halten zu können - sie entziehen sich damit ein Stück weit dem täglichen Konkurrenzkampf der schnelllebigeren Arten 'Downtown'. Sie können es sich leisten, auf gelegentliche Katastrophen zu warten, nach denen sie eine neue Generation starten.
Die Eiszeiten haben die Bäume vielleicht ebenfalls nur aufgrund ihrer Größe und Langlebigkeit überdauert. Ob nun in 20m Schnee begraben (nicht mehr als ein weißer Stiefel für einen Riesen) oder in Kältesteppen in tiefen Lagen, aber immer in fühlbarer Nähe zu den hohen Gletschern der High Sierra -- bei sehr kühlen Temperaturen und verjüngungsfeindlicher Trockenheit könnten sie Tausend Jahre überdauert haben bis endlich einmal ein paar wärmere Jahre kamen.
Aus dem Eitlen Hochmuth wird aber schnell eine fatale Schwäche, wenn das Damokles-Schwert eines trocken-heißen Klimas zuschlägt, werden auch die letzten Riesen schließlich fallen.
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