Hallo Manfred,
Zuerst möchte ich mal sagen, daß ich zwar Shigo gelesen habe und auch schon viele Bäume beschnitten, oder um- und kleingesägt habe; dennoch ist meine 'VIP Methode' bloß ein Resultat baumbiologischer Überlegungen. Ob sie wirklich dem einfachen Absägen überlegen ist, müsste man erstmal vergleichend erforschen. Weil das aber viele Jahre dauert und nur durch Aufsägen der Testpersonen geht, habe ich es nie versucht...
Zum zweiten, meine VIP Methode habe ich speziell für das Entfernen des Zwiesels empfohlen, nicht für reguläres Ästchen-Schneiden. Est es eine Methode für besonders große Äste oder Stammteile. Dabei steht für mich deren Größe in Relation zur Gesamtgröße, bei einem so jungen Baum wie Toms Meta wäre das Entfernen eines 4cm dicken Zwiesels bereits ein schwerer Eingriff.
Nun zu Deinen Fragen:
Warum sollte der Baum zwei Mal mit einem Schnitt belastet werden?
Der zweite Schnitt belastet den Baum kaum noch. Die Belastung liegt vor allem im Schock durch das Wegfallen eines kompletten Zwiesels.
Warum sollte der Baum lediglich durch stehen lassen eines Stummels den Verlust der Blätter/Nadelmasse besser verkraften können?
Wenn Du es so ausdrückst, dann gar nicht. Aber ich habe geschrieben 'mit einem oder zwei Ästen dran'. Damit meinte ich eine ausreichend große Nadelmasse, um den Schock abzumildern. Der wichtigste Punkt ist aber, daß dadurch der Saftfluß in den Stummel in größerem Ausmaß erhalten bleibt (wegen der Saugwirkung) und dadurch auch die Abschottung intensiver ist. Auch sich neu bildende 'Wasserreiser' haben denselben postivien Effekt.
Dabei passt sich der Baum intern schon mal an, die entsprechenden Stoffe in den Stummel zu leiten (bzw. sie aus dem Stummel herauszuleiten). Wenn nun der Stummel später auch noch abgesägt wird, sind die Transportwege aber schon 'eingearbeitet'. Zudem hat der Baum nun auch in der übrigen Krone neue Äste gebildet welche auch ohne Wasserreiser ein neues Gleichgewicht bilden. Es bildet dann nach dem zweiten Schnitt viel weniger Wasserreiser aus. Das ist jedenfalls meine Beobachtung.
Und wenn die Abschottung fertig ist und die "phenolischen Verbidnungen" eingelagert wurden (was das auch immer ist), schneide ich sein Werk nach 1-2 Jahren wieder ab? Und das ganze beginnt von neuen?
Abschottung ist nicht Überwallung. Sie findet fast unabhängig davon ab. Sie ist auch nie wirklich 'fertig'. Im Holz selber werden Zonen mit Inhaltsstoffen angereichert, die pilzfeindlich sind. Bei einem 4cm Zwiesel kann diese Zone ein paar cm 'lang' sein. Es gibt keine scharfe Grenze, der Übergang ist fließend.
Die Frage lautet nicht 'warum schneide ich den Stummel dann doch noch ab' denn das ist ja das Ziel, die Gründe warum kein Stummel wurden gereits genannt. Sondern die Frage ist doch, warum lasse ich zuerst mal einen Stummel stehen ? Ich hoffe das habe ich oben beantwortet.
Aus der Sicht der Pilze könnte man es auch ein 'Sandbox-System' nennen. Der Stummel fängt an seiner Schnittfläche unweigerlich Pilzsporen auf, man kann nie sicher sein daß ob ins Holz vordringen. Inzwischen passt der Baum sich aber durch neue Äste an, und aktiviert in den Leitbahnen welcher den Stummel versorgen das Abschottungs-System.
Dann wird der (wahrscheinlich bereits infizierte) Stummel plötzlich entfernt. Die Pilze ärgen sich, denn die ganze Arbeit war umsonst und sie landen im Kamin! Die neue Wunde kann der Baum nun besonders rasch abschotten, und ohne gravierrenden Nadelverlust-Schock auch schneller überwallen. Jeder Tag den es schneller geht, ist ein Tag weniger an dem Pilzsporen landen.
Wie gesagt, ist das keine Methode für den regulären Obstbaum- oder Formschnitt, sondern für schwere Eingriffe, die dadurch für den Baum leichter zu bewältigen sind.