Hallo Bernie, Michael und Remi,
natürlich stehe ich nur ungern als imaginärer Mann ohne Avatar da, der aus einem Versteck heraus schießt. Deshalb liegt seit Beginn meiner Anmeldung meine Identität offen (s. u. Mitglieder) und damit auch das Wesentliche, was mich pflanzenmäßig umtreibt. Michael hat mich gebeten: “ Erzähl doch einfach mal ein bisschen über dich, wie du zu den BMs gekommen bist usw“... Das kann ich gerne tun.
Dazu ist anfangs ein bisschen autobiografische Selbstbespiegelung nötig. Wer dazu auch nur die geringste Unlust verspürt oder wieder Selbstbeweihräucherung herausliest, bitte sofort weiterklicken.
Die schon erwähnte kleine Nebenerwerbsbaumschule für dendrologische Raritäten betreibe ich seit ca. 40 Jahren. In den ersten 10 Jahren zusammen mit meinem Vater, der begonnen hatte, die Brotbaum-Kombi des Niederrheins: Pappel mit Weihnachtsbaumkulturen in unserem Wald um Exoten zu ergänzen.
Anfang der Achtziger habe ich versucht, das Ganze professioneller aufzuziehen mit einer postalisch versandten Verkaufsliste u. ä. und wurde zumindest im Netz von Deutscher Dendrologischer Gesellschaft und der Gesellschaft Deutsches Arboretum einigermaßen bekannt (z.B. durch Abdruck der Angebotsliste in den DDG-Ginkgo-Blättern).
Mein Anspruch war früher immer, möglichst von jedem Saatkorn den präzisen Herkunfttsort zu kennen. Die damit verbundenen Recherchen, internationalen Kontakte und manchmal auch eigene Reisen waren für mich ein wichtiges Motivbündel. So habe ich – leider meist nur in der Literatur - die Vegetationsgebiete mit vergleichbaren Klimadaten „durchforstet“ (bes. USA, UDSSR, Asien, Australien, Südamerika), immer auf der Suche nach seltenen, eher forstlich interessanten Gehölzen, um sie selbst in meinem Wald (10 ha) auf Anbautauglichkeit zu testen bzw. sie in Arboreten, Parks und Sammlungen beobachten zu lassen. Manchmal ging es auch um reine Arterhaltung, wenn im Heimatgebiet die Überlebenschancen immer geringer wurden.
Wenn´s dann nach z. T. jahrelanger Vorarbeit im Saatbeet keimt und auch noch gut durch die ersten Winter kommt – was gibt es Schöneres !
Und was gibt es Schrecklicheres, wenn dann über Nacht alles ratzekahl von Schnecken verputzt wurde oder Mäuse hunderte von Kiefersamen zu anderen Zwecken verschleppt hatten? So etwas passiert bei mir häufig, da alle meine Aussaaten im Freiland stattfinden, ich nur am Wochenende von Köln zu meinen 100 Km entfernten Pflanzen und Flächen fahren kann und mir Mitarbeiter nicht leisten kann.
Wirtschaftlich gesehen lief es in den Achtzigern ganz gut, als einige Landesarboreten neu aufgebaut wurden, Forstämter experimentierfreudig waren und Parks noch viel Platz hatten. Meist kamen zumindest die Unkosten wieder rein.
Nach der umweltpolitischen Wende wurden im öffentlichen Raum andere Prioritäten gesetzt, es war kein Geld mehr da für solche Projekte, Exoten waren out.
(Kleiner Exkurs: Überhaupt haben politische Veränderungen häufig meine Arbeit beeinflusst, manchmal auf brutale Art und Weise z.B.:
• Nach dem Zusammenbruch der UDSSR brach das gute System der wissenschaftlich betreuten Biologischen Stationen in allen Republiken zusammen; es gab keinen Saatgutaustausch mehr.
• Die Wirtschaftskrise in Argentinien zwang 2 Samensammler zur Emigration.
• Ein befreundeter chinesischer Botaniker verschwand spurlos nach den Unruhen 1989.
• Im Kaschmirkonflikt wurde ein zuverlässiger (hinduistischer) Samensammler von (muslimischen) Jugendlichen aus seiner Nachbarschaft erschlagen, mit denen er sonst häufig Tischtennis spielte.
• „Den“ Chinesen geht es heute nur noch ums Geld - sie beliefern nur noch große internationale Firmen, nicht mehr so kleine Krauter wie mich
• Aus Konkurrenzgründen gibt kaum noch ein Sammler seine genauen Standorte an.)
Da außerdem mein Wald heute übervoll ist mit Exoten, habe ich mich umstellen müssen auf kleinere Mengen. Auch will ich in Zukunft Saatgut vermehrt in Deutschland und Umland sammeln in interessanten Fremdländer-Altbeständen wie z.B. in Samenplantagen und den hoffentlich noch gut gekennzeichneten und dokumentierten herkunftsechten Sequoiadendronbeständen. Warum in die Ferne schweifen ….
Vorsicht, jetzt kommt ein Schuss Selbstbeweihräucherung: Ich habe Pflanzen „in alle Welt“ versandt (Deutschland und Umland). Wenn ich heute z.B. im Stadtwald ein von mir generativ angezogenes Metasequoia-Wäldchen wiederfinde, vor einer größeren Gruppe Araucarien stehe, deren Samen ich vor 30 Jahren einzeln in den Boden gesteckt habe, oder mir ein Mitarbeiter eines Botanischen Gartens vor einer riesigen blühenden Paulownia fargesii sagt: “Die ist auch von Ihnen, ein toller Publikumsmagnet!“ fühle ich mich bestätigt in meinem Tun, bin stolz und zufrieden – ein Gefühl, das ich allen wünsche, die in diesem Feld aktiv sind.
BM: Anzucht und Waldbau
Besuche auf der Sequoiafarm und bei einem befreundeten Baumschulisten in St. Tönis machten auch meinen Vater und mich zu Mammutfans. Bald wurde bei uns mit wechselndem Erfolg angezogen und im kleinen Rahmen verkauft (Herkunft meist Tulare County, 1580 m). Schnell war klar, dass im Gegensatz zu UM und KM Sequoiadendron nicht einfach so im Freiland ausgesät werden kann. Ich baute also so etwas wie Frühbeete mit automatischen Fensterhebern und tauschte den Boden dort aus gegen neutralen, nährstoffarmen sandigen Lehm + 10 % Weißtorf, ein Gemisch, das auch in allen Töpfen und Kontainern eingesetzt wurde. Wenig gießen, weiter Stand mit viel Luftbewegung, nährstoffarmer humusfreier Boden, das funktionierte gut und nur selten musste gegen Botritis ein Fungizid eingesetzt werden. Wichtig war später dann jährliches Umtopfen; Kontainer mit Wurzelführung gab es damals noch nicht.
Nach mehrmaliger erfolgreicher Anzucht ist außer bei Auftragsarbeit meine Neugier meist verflogen. Das war auch beim BM so, insbesondere als ich sah, dass er zur verbreiteten Baumschulware wurde und bes. in Forstbaumschulen zu Tausenden preiswert angeboten wurde (in den 80ern kräftige 2Jährige für ca. 0,50 DM, heute für ca. 1 €).
An diversen Stellen stehen auf meinen verstreut liegenden Grundstücken BMs, UMs und KMs. Drei BM-Anpflanzungen würde ich als „Waldbau“ bezeichnen. Damit meine ich größere Anpflanzungen im Wald, nicht unbedingt unter forstwirtschaftlicher Zielsetzung.
Zu ID13891:
Alles was damals nicht verkaufsfähig war, kam in den Wald, darunter auch 1972 bis 1975 die ersten 3 bis 5jährigen ca. 150 BMs, z. T. ziemliche Krüppel, botritiszerfressen, mehrstämmig oder drehwurzelig.
Pflanzverband ca. 5 x 5m im Dreieck auf ca. ½ ha, gemischt mit Pinus rigida und Pinus radiata, die z. T. eigene Reihen bildeten.
Standort: durchschnittliche Niederschlagsmenge: damals ca. 700 mm; durchschnittliche Jahrestemperatur: 9 - 10 Grad. Lage gen Süden mit Windschutz gegen Ost.
Boden: Gley und Podsol-Gley, Flugsandboden und sandige Flussablagerungen (Holozän, Pleistozän) über Sand und Kies der Niederterrasse, geringe Sorbionsfähigkeit, hohe Wasserdurchlässigkeit, Grundwasserspiegel in den letzten Jahren stark abgesenkt, geringe nutzbare Wasserkapazität, dürreempfindlich
Gegen Schädigung durch Mensch und Tier wurde eingezäunt und in den nächsten 3-4 Jahren im Sommer Brombeeren und Birken mit Sense und Buschmesser frei geschnitten.
Hohe Anwuchsrate auch bei den „Krüppeln“, kaum Ausfälle, keinerlei Frostschäden. In den Folgejahren hielten die Kiefern der Lichtkonkurrenz nicht stand und sind heute fast ganz verschwunden: Pinus rigida wuchs bald tafelförmig (schönes Schmuckreisig wg. Zapfen am Stamm), Pinus resinosa zu langsam, außerdem starker, bevorzugter Befall durch Kiefernknospentriebwickler. Ca. 1985 wurde je ein Horst Sequoia sempervirens und Cryptomerien eingebracht, die im Längenwachstum schnell aufgeholt und heute z. T. die BMs überholt haben.
In den letzten 25 Jahren wurde der Bestand sich selbst überlassen und soll im nächsten Winter erstmals durchforstet werden. Ca. 90 BMs sind noch vorhanden, im Wuchs sehr unterschiedlich. Die dickeren haben einen Durchmesser von ca. 65 cm und eine Höhe von ca. 28 m. In vielen Spitzen ist Botriosphaeria-Befall erkennbar. Einige wenige scheinen innerhalb der letzten Jahre ausgefallen zu sein, wahrscheinlich als Folge des Dürrejahres 2003.
Zu ID13889:
Auf diese 0,6 ha habe ich 1985 ungefähr 200 BMs gepflanzt. Dafür war ein früher sehr wüchsiger Douglasienbestand eingeschlagen worden. Reste von Fichten, Douglas, Omorika (müssen dringend raus wg. Hallimaschgefahr!) blieben randständig stehen und 2 Horste mit Sequoia s. später hinzugefügt.
Boden: Gley und Podsol-Gley, pH-Wert gemessene 3,4; Flugsandboden und sandig/kiesige Flussablagerungen (Holozän, Pleistozän) der Niederterrasse, z. T. stark verdichtet, geringe Sorbionsfähigkeit, hohe Wasserdurchlässigkeit, Grundwasserspiegel in den letzten Jahren stark abgesenkt, geringe nutzbare Wasserkapazität, sehr dürreempfindlich
Das Pflanzen der ca. vierjährigen Kontainerpflanzen war Schwerstarbeit, da der Boden schon ab 20 cm stark verdichtet ist. Lage gen Süden mit Windschutz gegen West und Ost.
Reinbestand mit Pflanzabstand 5 x 2 m im Dreieck.
Gegen Schädigung durch Mensch und Tier wurde eingezäunt. Freischneiden war kaum nötig, da nicht einmal Birke und Brombeere auf dem Boden nennenswert wuchsen.
Der trockene Sommer 2003 hat viele Pflanzen gerade im der Mitte des Bestandes stark geschädigt. Sie sind von unten her abgestorben, selbst bei noch lebender Spitze ist seitdem keine Erholung/Wachstum mehr feststellbar. So ist der Bestand auf ca. 70 gesunde, wüchsige geschrumpft. Durchforstung ist in diesem Winter geplant – mal sehen was übrig bleibt. Dieser Bestand zeigt meiner Meinung nach deutlich standortbedingte Grenzen des BM-Anbau auf. Waldbaulich hätte man da auch z.B. durch größere Abstände nicht viel ändern können. Denn die Standortbedingungen werden sich weiter verschlechtern, wie sich allgemein zeigt. So sind hier z.B. durch Luftschadstoffe, erhöhten Schädlingsbefall, insbesondere aber durch kiesabbaubedingte Grundwasserabsenkung in den letzten Jahrzehnten viele alte, autochtone Eichenbestände existenzbedroht. Die sich verschlechternde Grundwassersituation und hohe Wasserdurchlässigkeit des Bodens scheint auch Sequoiadendron nicht zu bekommen, wie ich vermute. Näheres können nur aufwändige Grabungen/Bohrungen auf den Flächen ergeben.
ID537:
Die Geschichte der Sequoiadendron-Versuchsfläche in Kaldenkirchen, die ich 2001 erworben habe, ist den meisten sicher bekannt.
Trotzdem zur Erinnerung einige Details, die mir beim Thema Waldbau wichtig erscheinen (nach I. Martin 1983):
Boden: leergebrannter Kiefernwald, ärmste Flugsanddecke, pH-Wert 3,5 - 4, niedriger Grundwasserhorizont
Reihenpflanzung hinter Zäunung: 1600 getopfte 1 und 2jährige Sämlinge auf 1,2 ha im
1,50m-Verband. Gemischt mit Abies concolor var. lowiana und grandis, Pseudotsuga, Calocedrus decurrens, Pinus contorta, strobus und nigra corsicana, Thuja plicata, Tsuga heterophylla u.a.. Davon haben sich bis zur Durchforstung 2010 die beiden Tannenarten, wenige Douglasien und die korsische Kiefer einigermaßen behaupten können.
Besonders durch Wintersonneneinstrahlung und starke Windexposition bedingte Trocknis verursachte bei den BMs ca. 25% Ausfälle in den ersten Jahren. Nach einer starken Durchforstung 1982/3 (Rest 380) und weiteren Ausfällen wahrscheinlich der spiralwurzelgeschädigten Nachzügler waren 2010 noch 221 BMs vorhanden, die dann auf heute 168 reduziert wurden. Darunter sind abholzige aber auch walzenförmige Stammformen.
2010 wurden 140 Festmeter Holz unterschiedlichster Arten und Qualitäten entnommen. Für Stammholz Sequoiadendron bezahlte der Holzhändler viel zu wenige 25 €/fm (wie übrigens ein anderer in der Leucht bei Alpen auch), das ist ungefähr die Hälfte des damaligen Kiefer-, Lärche- und Douglasienpreises, aber mehr als für Pappel (ca.18 €/fm). Geplant ist eine Verarbeitung z.B. zu Holzzäunen und Möbeln.
Ich hoffe, euer Informationsbedürfnis bzgl. „Erzähl doch einfach mal ein bisschen über dich, wie du zu den BMs gekommen bist usw...“ ( Michael) wurde umfassend gestillt, besonders das usw.... Wenn jetzt jemand denkt, so genau wollt ich das gar nicht wissen, kann ich das auch verstehen. Ist nun mal ´ne längere Geschichte.
Eigentlich bin ich jemand, der pflanzenbezogen eher im Heute und Morgen lebt. Entschuldigt deshalb das häufige „Circa“ bei früheren Daten. Nicht alles ist präzise dokumentiert, oder ich war zu faul, es raus zu suchen.
Zurück zur Gegenwart: zwei Bemerkungen an Jochen
• Mein Berufsleben habe ich im Wesentlichen in der Wissenschaft verbracht. Wahrscheinlich sind dort andere Zitierregeln vorgeschrieben als in WIKIs, wo ich mich nicht auskenne. Ob und wie man da besser auf andere schießen kann, weiß ich auch nicht. In der Wissenschaft jedenfalls herrscht heute die blanke Konkurrenz und auch im forstwissenschaftlichen Bereich habe ich erlebt, dass eine meiner blauäugig eingebrachten Projektideen von Leuten abgewürgt wurde, die dann später ihre eigene Karriere darauf aufgebaut haben. Ich bin deshalb etwas vorsichtig geworden. Vielleicht möchte ich z. B. meinen Text vom 21.10.11 irgendwann einmal z. B. in einem Antrag o. ä. verwenden und möchte dann nicht zu hören bekommen: „Alles nur aus einem WIKI-Beitrag abgeschrieben“, ohne auf meinen Anteil daran verweisen zu können. Wenn du/ihr da Lösungen seht, würde ich mich freuen. Natürlich auch, wenn dann bei inhaltlicher Übereinstimmung (?) Textteile oder Argumente von mir einfließen können.
• Beim Thema WIKI-Beitrag habe ich – anscheinend sehr missverständlich – versucht, meine Vorstellungen dazu einzubringen (Stand der Wissenschaft, Zusammenführung des im Register hundertfach geschilderten Wissen und der Erfahrungen Einzelner, weitere Recherchen im Forstbereich). Wer diese drei Punkte ernsthaft bewältigen will, braucht nach meiner Einschätzung Ressourcen, die ich zur Zeit nicht habe. So nahm ich mir die Freiheit zu sagen: „Sorry, I´m not „the man“. Wie bei allen anderen DiskussionsteilnehmerInnen auch, wird man sich auch meine Postings zusammensuchen müssen, wenn sie themenrelevant erscheinen. Das schließt eine sporadische Unterstützung/Mitarbeit an einzelnen Punkten nicht aus.
Aber vielleicht haben andere ganz andere Vorstellungen, wie ein solcher Beitrag anzupacken ist. Ein passendes inhaltliches Gerüst liegt von Wayne ja schon vor.
Chris (sequoiaundco)