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Waldbau und Pflanzungen bei Dürre und Klimawandel - was tun

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Tuff:
Der BUND ist wie immer gegen das 'künstliche Einbringen von exotischen Baumarten'. Aus seinem letzten Strategiepapier zum Klimawandel-Waldumbau ("Forderungspapier Waldsterben"):

Auf das künstliche Einbringen nicht-standortheimischer Baumarten ist aus Naturschutzgründen zu verzichten. Exotische Baumarten wie Douglasie, Küstentanne oder Roteiche bieten vielen heimischen Arten keinen Lebensraum. Für den Anbau dieser Baumarten besteht ein erhebliches ökologisches Risiko. Douglasien zeigen zudem bereits jetzt, dass sie ebenso wie die Fichte anfällig für Trockenstress sind.

Da ist natürlich was dran; aber ich kann mir auch mit anteiligen Douglasien und Küstentannen einen ökologisch wertvollen Bestand vorstellen, zB. zusammen mit Weißtanne, Buche, Ahorn, und warum nicht auch ein paar Küstenmammuts. Alle Baumarten zunächst mal als Gruppen begründet. Wie sich das dann naturverjüngungsmässig mischt und wie die nächste Generation dann waldbaulich behandelt wird, muss man halt mal ausprobieren.

Fit-Ta-Bu-Dougl 'Althölzer' (d.h. bis 150 Jahre alt) kann man im Schwwarzwald sehen. Die Douglasie ersetzt dabei ökologisch am ehesten die Fichte, weil sie sich nur bei ausreichend Licht (zB. in Lichtungen) erfolgreich verjüngt. Buchen und Tannen leiden in diesen Wäldern lediglich unter Verbißdruck, ansonsten kommen sie mit der Douglasie klar. Diese wächst allerdings schneller und wird höher, und muss daher mit mehr Input kontrolliert werden. Typischerweise gehört dazu auch Hochasten (sonst müsste man sie in extrem dichten Gruppen aufwachsen lassen) , das ist ein erheblicher Aufwand. Vielleicht entwickelt man in Zukunft aber Roboter für diesen Job, die sägend den Stamm hochklettern und sich idealerweise auch autonom im Gelände bewegen (fliegen?).

Die Roteiche sehe ich kritisch, weil das Laub den Boden vollständig abdeckt und so fast keinen Lebensraum für eine Bodenvegetation (oder Naturverjüngung) übrig lässt.

Ich finde die Einstellung des BUND auf jeden Fall viel zu eng gefasst. Nicht-standortheimisch ist bei mir auch die Esskastanie, gegen die m.E. auch bei strengster ökologischer Sichtweise rein gar nichts spricht. Und was ist mit der Eibe, die Millionen Jahre lang hier in West- und Mitteleuropa heimisch war, aber in den letzten 1000 Jahren ausgerottet wurde.

Tuff:
Das Problem sind eigentlich die Pauschalisierungen, mit denen man alle 'nicht heimischen' Baumarten in einen Topf wirft.

Man sollte stattdessen fallweise für jede geplante Anpflanzung und jede Baumart eine eigene Beurteilung erlauben. So sind zB. die hier in diesem Verein typischen 'Kleinstpflanzungen' (typischerweise < 1ha) ohne größeren Einfluß auf die regionale Ökologie (es sei denn es wären in einer Region extrem viele) und sollten vielleicht eher wie Arboreten oder Versuchsflächen behandelt werden.

Dann wäre noch das Problem des möglichen 'Entweichens' von invasiven Neophyten - in diesem Fall, Naturverjüngung von nicht-heimischen Baumarten. In Frage kommen hier soweit ich weiß durchaus die Paulownie, und die Douglasie. Garantiert nicht in Frage kommen Berg- und Küstenmammutbaum, und sehr wahrscheinlich sind die nordamerikanischen Tannenarten ebenfalls unproblematisch.

Was die Douglasie anbelangt, breitet sie sich in geeigneten Koniferenwäldern durchaus aus (soweit ich weiß jedoch nicht in Auen-, Bergahorn-Schlucht- oder Buchenwäldern), wird hier aber in Zukunft in den meisten Regionen sowieso gewollt beteiligt sein. Ich sehe sie wie schon gesagt eher als Ersatz für die Fichte, die ja ebenfalls in vielen Regionen nie heimisch war. Dort hatte die Fichtenverjüngung dann ja auch niemanden gestört, im Gegenteil.

Die Paulownie verbreitet sich relativ üppig (und rapide) auf vegetationslosen Freiflächen. Viel mehr weiß ich aus eigener Erfabhrung nicht zu berichten. Man muß das halt mal unter die Lupe nehmen. Ich würde hier so eine Untersuchung empfehlen, um sicherzustellen, daß es sich bei dieser Baumart nicht um den nächsten 'Japanknöterich' handelt.

Bernhard:

--- Zitat von: Tuff am 31-Juli-2019, 18:58 ---Auf das künstliche Einbringen nicht-standortheimischer Baumarten ist aus Naturschutzgründen zu verzichten. Exotische Baumarten wie Douglasie, Küstentanne oder Roteiche bieten vielen heimischen Arten keinen Lebensraum. Für den Anbau dieser Baumarten besteht ein erhebliches ökologisches Risiko.

--- Ende Zitat ---

Micha, das ist genau der Punkt. Der BUND stellt theoretische Behauptungen auf und ist nicht bereit, reale Situationen zur Kenntnis zu nehmen.
Ein Beispiel aus meiner realen Welt: In unserer 20 Meter hohen Leylandzypresse wohnt seit Jahren eine Haussperlingskolonie.Vermutli ch durch das Hühnerfutter am Standort gebunden !? ??? ::) Steht zwar auf der Roten Liste, aber hier leben geschätzte 100 bis 150 Spatzen in einem Baum der sogar  ein künstlicher Bastard zwischen Monterey-Zypresse und Nootka-Scheinzypresse ist.
Dieser Baum kann sich selbst nicht vermehren, ist aber ein Lebensraum für eine bedrohte Vogelart, denn Sperlinge stehen auf der Roten Liste. (bei mir im Garten jedenfalls nicht).
Und um es noch zu steigern: Ein Ringeltaubenpaar wohnt oben in der Krone auch noch. (Leider wurde das Nest von einer Elster geplündert.)

Deshalb plädiere ich dafür, solche Argumente im Waldbau kritisch zu hinterfragen.

Tuff:
Berni, man muss hier fair bleiben. Die Argumentation des Naturschutzes ist im Kern diese (auch wenn sie das selber oft nicht so gut ausdrücken), daß der Schaden nicht direkt durch die 'neuen' Arten entsteht, sondern durch das Fehlen der Alten.

D.h. eine Leylandzypresse mag bestimmten Tierarten Lebensraum bieten, welche nicht spezialisiert sind, ist aber keine Futterpflanze für die Buchenblattlaus, die andernfalls hier an einer Buche leben könnte. Wenn nur eine Buche 'fehlt' ist das sicher kein Problem. Wenn aber Quadratkilometerweise Leylandzypressen angepflanzt würden, unter denen Hühner gefüttert werden, dann hätten wir ein Sperlingsparadies, aber keine Buchenblattläuse mehr. Und auch keine der anderen der 10000 Insektenarten die von einheimischen Laubbäumen leben ....

Zum Beispiel in einem Eichenbestand können in den Eichenkronen mehr als 1000 Insektenarten gezählt werden. Das ist keine rein symbolische Zahl - die Größenordnung stimmt.

Wenn man jetzt für jede Douglasie oder Roteiche auch eine Eiche oder Weißtanne pflanzt, sollte das einigermaßen in Ordnung gehen. Dann muß man das Überleben der einheimischen Arten aber waldbaulich auch sicherstellen (also nicht in abwechselnder MIschung - dann fallen die einheimischen Arten nämlich innerhalb von 30 Jahren ganz einfach aus.)

Oder nehmen wir andere Beispiele:

Das Nickende Perlgras mag basenreiche frische Böden mit nicht-saurer Humusauflage. Es kommt vor allem in Eichen-Buchenwäldern vor. Wenn man auf solchen Standorten Nadelbäume aufforstet, verschwindet es mittelfristig aufgrund des veränderten pH-Wertes.

Allerdings liegt der schlimmste Effekt bei Nadelholzaufforstungen in der dichten Bestandesbegründung, welche die totale  Ausdunkelung des Bodens, und ein extremes Austrocknen der obersten Humusschicht zur Folge hat. Die extrem genügsame Schattenblume Maianthemum zB. benötigt gleichmässige Bodenfeuchte und kann dann auch auf relativ saurem Rohhumus gedeihen. Aber in einer Fichtendickung hat sie keine Chance.

Dasselbe gilt m.E. für einen Roteichen-Reinbestand, weil die riesigen, nur schwer abbaubaren Blätter den Boden vollständig abdecken, und die meisten Bodenpflanzen dadurch ausgedunkelt bzw. am Keimen oder Austreiben gehindert werden.

Weitere Bodenpflanzen deutscher Laubmuischwälder, die bedroht sein können bzw. durch Fichtenanbau schon längst verschwunden sind, wären Waldmeister, Bärlauch, Vielblütige Weißwurz, Lerchensporn, Buschwindröschen, Seggenarten, eine Menge kleinerer Farne, Braunwurz, Hasenlattich, das klein- und das großblütige (einheimische) gelbe Springkraut, ... die Liste ist ewig lang.

Und diese Bodenpflanzen haben ihrerseits wieder Insekten-Spezialisten die auf sie angewiesen sind.

Man kann die sehr dominante Roteiche nur schwer mit anderen Baumarten mischen - wenn, dann in Gruppenpflanzung, bei der aber zB. eine Buchengruppe dann auch deutlich größer sein müsste als die höhere Roteichengruppe. Stattdessen wird man wohl Douglasiengruppen wählen, weil die besser mithalten könne. So ein reiner Roteichen-Douglasienwald beherbergt aber (fast) keine der genannten Arten.

Zitat: Deshalb plädiere ich dafür, solche Argumente im Waldbau kritisch zu hinterfragen.

Das unterschreibe ich auf jeden Fall :D

Bernhard:
Bester Micha !


--- Zitat von: Tuff am 02-August-2019, 19:43 ---Berni, man muss hier fair bleiben.
D.h. eine Leylandzypresse mag bestimmten Tierarten Lebensraum bieten, welche nicht spezialisiert sind, ist aber keine Futterpflanze für die Buchenblattlaus, die andernfalls hier an einer Buche leben könnte. Wenn nur eine Buche 'fehlt' ist das sicher kein Problem. Wenn aber Quadratkilometerweise Leylandzypressen angepflanzt würden, unter denen Hühner gefüttert werden, dann hätten wir ein Sperlingsparadies, aber keine Buchenblattläuse mehr.

--- Ende Zitat ---

Man muss fair bleiben, und richtig zitieren:

Der BUND ist schlichtweg gegen "fremde" Baumarten.
Ich habe mit dem Beispiel meiner Leylandzypresse lediglich aufgezeigt, daß ein Baumindividuum, egal wo es herkommt, eine ökologische Nische darstellen kann.

Habe ich behauptet, daß man Quadratkilometerweise Leylandzypressen anpflanzen soll ? Mitnichten !
(der Gag mit den Hühnern find ich lustig).  ;D

Ein Reinbestand, egal welcher Baumart, ist strikt abzulehnen. Ob Buche oder sonst ein Baum.
Es geht doch darum , eine Mischung der Baumarten zu begründen, welche als Waldgefüge stabiler gegen Klima oder Schädlingen ist. Das ist der Punkt.
Wenn einheimische Baumarten mit Exoten gemischt werden, kann das nur gut sein.

In Nordamerika sind in den Laubwäldern 40 Baumarten zu finden, bevor man eine gleiche antrifft.
In Mitteleuropa sind es 4 oder 5.

Eine Vielfalt an Baum- und Straucharten begünstigt auch eine Vielfalt an Insekten, Vögeln und Säugetieren.

Nochmal: Ein Umdenken und Tolerieren seitens der Naturschutzverbände ist notwendig, damit der Wald als ökologisches System erhalten bleibt. CO2-Speicher, Lebensraum, Naherholungsgebiet, Temperaturpuffer, Trinkwasserspeicher usw. Darum geht es.

Und wie ich schon sagte: Reinbestände und artenarme Baumbesetzungen sind in der Natur nicht vorgesehen, außer in den Taigawäldern.

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