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Kann Sequoiadendron in Mitteleuropa wirklich heimisch werden?
Zinnauer:
Im Thread „Pflanzabstände von BM“ wurde von Clemens mehrmals auf die besondere Überlebens / Vermehrungs-Strategie von BM hingewiesen (Katastrophenbaum, Waldbrände zur Verjüngung nötig etc.). Da stimme ich ihm in vielem zu. Man sollte sich aber in diesem Zusammenhang eingestehen, dass es mit den bisher beschrittenen Wegen (da und dort ein paar BMs in Parks, Privatgärten und auch der einen oder anderen Kultur im Wald) m.E. nicht möglich ist, dem BM ein geeignetes Überlebensumfeld zu schaffen. Brände sind in (mitteleuropäischen) Parks und Privatgärten und leider auch in den meisten Wäldern völlig undenkbar und müssen - aus verständlichen Gründen - sofort unterdrückt werden.
Will man BM in Mitteleuropa wirklich heimisch machen, müsste man daher versuchen, tatsächlich lebensfähige Groves zu begründen, die zum einen ausreichend groß und zum anderen genügenden Abstand zu "Zivilisationswerten" (Häusern, Straßen, Brücken, Kraftwerken etc. etc.) haben, sodass dort auch Brände (natürlich oder kontrolliert) stattfinden können.
Entscheidende Fragen dazu:
Wie groß (Individuenanzahl) muss eine Population sein, um langfristig, d.h. ohne genetische Einengung überleben zu können?
Mein Vorschlag wären mind. 50, besser 100 große BMs.
Wie groß muss das dafür nötige Areal sein?
Geht man von gut 1000 m2 pro großem BM aus, benötigt man eine „Kernzone“ von mind. 10 ha. Dieses Areal braucht aber noch eine mind. 100 m breite „Pufferzone“. Damit wächst das Mindestareal schon auf 26,5 ha.
Wo könnten derartige Areale gefunden werden bzw. wer könnte sie zur Verfügung stellen?
Visionärer Gruß vom Zinnauer
Joergel:
Ich könnte mir vorstellen, dass ein BM sich auch ohne Waldbrand vermehren kann. Jeder Samen hat natürlich nur eine unglaublich geringe Überlebenschance, aber dafür hat ein alter Baum auch Millionen davon. Falls es mal ein Samen bis ins dritte Lebensjahr schafft, könnte er bestimmt durchkommen.
BMs denken im Zeitraum von tausend Jahren. Da halte ich es auch ohne Waldbrand für möglich, dass es mal ein Samen packt. Nur leider ist das kein Zeitraum mit dem wir Menschen zurecht kommen. Vermutlich fehlt es in Europa auch noch an derart alten Beständen, die in großer Menge Samen hervorbringen (im Vergleich zu Kalifornien).
Gezielte Waldbrände halte ich in Deutschland nicht für durchführbar. Da müsste man dann wohl nach Korsika oder Griechenland, wo die Waldbrände fast jährlich vorkommen.
--- Zitat von: Zinnauer am 29-November-2009, 00:28 ---Wie groß (Individuenanzahl) muss eine Population sein, um langfristig, d.h. ohne genetische Einengung überleben zu können?
Mein Vorschlag wären mind. 50, besser 100 große BMs.
--- Ende Zitat ---
Da kommt es dann drauf an, wie "langfristig" gemeint ist. Wenn jemand 50 BMs in Deutschland sinnvoll pflanzt, werden in 500 Jahren wahrscheinlich auch noch einige davon stehen. Ob die sich in der Zeit zufällig mal fortpflanzen, kann man natürlich schlecht abschätzen oder gar überwachen.
Viele Grüße
Jörg
Xenomorph:
Hallo Michael,
ein wirklich spannendes und tatsächlich visionäres Thema! So was ist natürlich weder sofort umsetzbar noch ist es ausgemacht, dass es mal funktionieren wird, selbst wenn man alles Nötige dafür getan hat. Falls sich das Klima ändert, wäre es aber durchaus denkbar. Ob so ein Waldgebiet mit Feuerökologie jemals gewollt oder geduldet wird ist eine andere Frage. Wenn, dann wäre es wohl nur als reine Wildnis denkbar, denn welcher Waldbauer möchte schon seine Erträge in Flammen aufgehen sehen? Trotzdem finde ich es sehr wichtig, dass das Thema angesprochen und hoffentlich auch breit diskutiert wird!
Als Gebiete, in denen so etwas denkbar wäre, fallen mir spontan die deutschen Mittelgebirge und der gesamte Alpenraum ein. Insbesondere Nationalparks wie z.B. der Nationalpark Bayerischer Wald scheinen mir sehr geeignet, zum einen weil es sich um forstwirtschaftlich kaum oder nicht genutzte Flächen handelt und zum anderen weil mir diese Regionen vom Klima und vom Charakter der Wälder her für den BM am passendsten vorkommen. Der Haken an der Sache ist nur leider, dass Neophyten wie der BM in Naturschutzgebieten und Nationalparks soweit ich weiß nicht geduldet werden. Aber vielleicht ändert sich das mal? Dorthin passen würde der BM jedenfalls!
Dass der BM sich in Mitteleuropa ohne Feuer oder andere einschneidende Katastrope natürlich verjüngen kann, wie Jörg es vermutet, glaube ich weniger. In unmittelbarer Nähe meines "Stammbaumes" ID 6 wurde im letzten Herbst eine Schneise in den Wald geschlagen und mit schwerem Gerät tiefe Furchen in den Boden gefahren. Dort blieb nur noch nackter Erdboden, auch zwischen den Fahrspuren, weil dort Stämme herausgeschleift worden waren. Ich hab natürlich sofort an die Möglichkeit einer Naturverjüngung des BM auf dieser Fläche gedacht. ;)
Tatsächlich war der gesamte Streifen aber bei meinem nächsten Besuch im Frühjahr dicht mit ca 1,5 Meter hohen Brennesseln zugewachsen. Die Brennesselsamen müssen also schon in der aufgewühlten Erde gewesen sein, denn so schnell hätten sie nicht von aussen da hin gelangen können. Selbst wenn ich einen zweijährigen BM-Sämling auf diesen Streifen gepflanzt hätte, wäre er dort bereits nach kurzer Zeit von den Brennesseln "umzingelt" worden und dann an Lichtmangel eingegangen. Fazit: Wie soll ein BM-Keimling im dichten Unterholz durchkommen, wenn nicht mal das tiefe Aufreißen des Bodens durch schwere Fahrzeuge ausreicht? Andererseits hat es im Converse Basin Grove offenbar funktioniert, wo es nach intensiver Abholzung zahllose Naturverjüngungen gab. Wo der Unterschied war weiß ich auch nicht. ???
Natürlich muss es nicht in jedem Waldgebiet so aussehen wie bei ID 6. Aber ich denke in den allermeisten Fällen kann nur ein intensives Feuer sämtliche Konkurrenz so lange ausschalten, dass ein BM-Keimling dort eine Chance hätte. Vielleicht könnten auch Muren oder Hangrutschungen im Gebirge ein passendes Keimbett schaffen?
Welche Mindestzahl an Individuen für einen genetisch zukunftsfähigen Grove man bräuchte weiß ich leider nicht, ich würde aber auch mal schätzen so zwischen 100 und 200 Exemplare. Ich hab mal gehört bei Säugetieren müssen es mindestens 100 Individuen sein, damit die Population nicht am Ende an Inzucht eingeht. Ob die Zahl stimmt weiß ich aber nicht, und bei Pflanzen kann das ganz anders sein. Es gibt ja diesen Placer County Grove, der glaube ich aus nur noch 6 BM besteht. Gut ist das sicher nicht, aber noch gibt es den Grove. Trotzdem, ich denke je mehr je besser. Mit Genetik kenn ich mich aber leider überhaupt nicht aus. Vielleicht kann der Remi was dazu sagen? Ich glaube er hat davon mehr Ahnung als ich... :)
Urzeitliche Grüße, Clemens
Waldläufer:
Hallo,
spannendes Thema, Naturverjüngung in Mitteleuropa nicht völlig auszuschließen aber nur dort denkbar wo Boden- u. Klimabedingungn mehr o.weniger identisch
mit Heimatstandort sind. Fällt mir auf Anhieb nichts ein. Für Deutschland würde ich es ausschleißen. Xenomorph weist zurecht auf die massive Unkraut-konkurrenz in hiesigen Lagen hin die ein frühzeitiges Absterben selbst kleiner gepflanzter BM. durch Lichtmangel u. Botrytisbefall bewirkt. Ich möchte sogar noch früher ansetzen. Nach meinen Erfahrungen (Stuttgarter Raum) liegen die Sämlinge bei Freilandaussaat nach dem ersten Winter herausgehebelt flach wie eine Flunder auf dem Boden. Dies ist bedingt durch das zum Winterende übliche auf- u. zufrieren des Bodens. Wieso gelingt nun die Verjüngung in Amerika?
Der Boden ist hier nindestens oberflächlich sandig durchlässig u. trocknet nach dem Frühjahr schnell aus so daß sich hohes Unkraut kaum entwickeln kann.
Die weit ins Frühjahr liegende Schneedecke verhindert wohl die Auf- u. Zufrierdynamik wobei sich der Sämling in Sandboden viel besser u. tiefer verankern kann.
Zudem sei hier mal darauf hingewiesen daß die Wintertemp. ausgesprochen mild sind. Das gemittelte duchschn. abs. Tief im Sequ. N.P. berägt lediglich -4C°.
Das abs. Tief von -21C° kommt demnach höchst selten vor u. hat bei den immensen Schneelage kaum Auswirkungen. Ein durchschn. Wintertag im Januar hat eine Temp. von 7C°! Nimmt man nun die anfängliche Konfurrenzschwäche dazu so muß ein natürlicher Erhalt von Mammutaumbest. hiesig leider verneint werden.
Aber zum Glück gibts das M.-Forum wo fleißig ausgesäät wird. Gruß Bernt
Bergbauer:
Hallo,
ich denke das hier noch zu eng gedacht wird. Es wird wohl immer wieder behauptet das der BM Brände braucht um überleben zu können. Ich halte das für nicht richtig.
Ich mach mal eine Liste von möglichen Flächen auf denen sich der Sequoiadendron größtenteils auch natürlich verjüngen könnte, weil kleine oder größere Brachfläche enstehen:
Anschwemmungen an ein Bachufer bei sehr hohem Wasserstand
Tierspuren verursacht nach langem regnerischen Wetter
Umgestürzte Bäume und entwurzelte Bäume nach Stürmen und Blitzeinschlägen
Murren und andere Abgänge
Ein Bach der seinen Bachlauf verändert
Flächen nach Überschwemmungen (allerbeste Erde!)
Vermoderte Baumstämme und besonders vermoderte Baumstümpfe
Waldbrände
Wege im Wald
Zu den letzten beiden noch Beispiele:
Vom Menschen verursachte Brände, die es sehr wohl noch gibt, Nur sind die Flächen wegen dem löschen nie wirklich groß. Ich kenne aber z. B. eine Fläche von ca. 0,5 x 3 km die als Wald und Waldrandfläche völlig niedergebrannt ist (ist allerdings schon 30 Jahre her). Es dauert auch heute immer etwas bis Waldbrände gelöscht sind, naturgemäß besonders in unzugänglichen Waldgebieten.
Der Forstwirtschaftliche Aspekt darf ebenfalls nicht außen vor gelassen werden. Weinheim z. B. war ursprünglich als reiner Forst gedacht. Wie schon oft geschrieben muss man in diesem Zusammenhang langfristig denken. Regelmäßig passiert es im Wald und Forst das Wege erneuert und verbreitert werden. Aus alten schmalen Wegen werden breite Wege die auch mit LKW befahren werden können. Beim Wegebau werden neben den neuen Wegen Hänge geschaffen die brach liegen. Nicht überall gibt es Brenneseln oder anderes Wildkraut. Besonders in reinen Waldgebieten dauert es einige Jahre bis sich die Flächen weder schießen. Die Chance für neue Bäume: Ich schätze das alleine in meinem 3 HA Wald nach dem bauen und ausbauen der Wege (3 Stichwege führen hinein) etwas 100.000 Fichten und einige 100 Lärchen aufgehen konnten (natürlich überleben die zu 99,9% nicht). Das besondere sind eben die Lärchen, den die sind selten in unserem Wald und oft weit weg vom Ort wo neue Sämlinge entstanden sind, Dabei spielt es doch keine Rolle ob es Eichhörnchen waren oder der Wind der die Samen verteilt hat. Sogar die eine oder andere Tanne ist aufgegangen obwohl es im Umkreis von 5 KM maximal 1-2 Tannen gibt. Selbst einige wenige Eichen sind zu finden, wie die da hin kommen ist mir allerdings schleierhaft es gibt keine Eichen in der Nähe. Wird dann wohl von Menschenhand oder Vogelschnabel geschehen sein.
Würden hier nun ältere Mammutbäume im Wald stehen, dann gebe es dort auch die eine oder andere Naturverjüngung die eine echte Überlebenschance haben. Ich habe übrigens vor einem halben Jahr zum Test in einem solchen Hang einen 1-jährigen BM gesetzt. Mal schauen was daraus wird, bisher macht er sich gut.
Wie schon oft hier erwähnt wurde gilt es die Langfristigkeit zu sehen, nicht das was wir in ein paar Jahrzehnten wahrnehmen und passiert, sondern über das was Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende hinweg passiert. Da passiert eben dann doch mehr.
Was spricht sonst noch dagegen das er hier heimisch wird?
Was man nicht vergessen darf, bei einer natürlichen Verjüngung gibt es für den BM jede Menge Hindernisse. Z. B. Wild das die Zweige des BM geradezu liebt, besonders für Karnickel und Hasen ist er ein echter Leckerbissen. Auch Rehe haben ihn zum fressen gerne, außer es gibt ausreichende Wildfütterung in der Nähe und natürlich die bekannten Hemmnisse wie Licht- und ausreichend Wasser. Das Klima spielt auch eine Rolle, aber wer weiß den schon genau was da kommen wird :)
Gruß, Herbert
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