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Autor Thema: Lebende Häuser und Brücken - BauBotaniker und Biomechanik  (Gelesen 2603 mal)

isbg33

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Hallo Baumfreunde!

Dazu habe ich heute etwas gefunden - es hat (noch ?) nichts mit Mammuts zu tun, aber vielleicht interessiert es einige.

@Tuff: wenn Du Lust und Zeit hast, könntest Du ja mal versuchen, mit den Leuten aus FB Kontakt aufzunhemen.

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14.03.2008 – Materialforschung

Lebende Häuser und Brücken

Forscher wollen Bäume und andere Pflanzen als Baumaterialien einsetzen
Die Bauten der Zukunft sind lebendig, davon sind einige Architekten und Botaniker überzeugt. Aus Bäumen errichten sie schon heute Brücken und Pavillons. Künftig sollen sogar bewohnbare Häuser aus Pappeln, Ahorn oder Eschen in die Höhe wachsen. Den Baustoff züchten sie bereits in Gewächshäusern.

Bäume haben zu tragen gelernt. Je stärker sie beansprucht werden, desto dicker wird ihr Holz. Damit sind sie intelligenter und anpassungsfähiger als Beton und noch dazu schöner anzusehen. Kurzum: der perfekte lebende Baustoff, wie drei ambitionierte Architekten vom Institut Grundlagen moderner Architektur der Universität Stuttgart glauben. Ferdinand Ludwig, Oliver Storz und Hannes Schwertfeger haben sich voll und ganz der Baubotanik verschrieben und bereits ehrgeizige Projekte angestoßen.

In den vergangenen drei Jahren entstanden so bereits zwei Pavillons, ein Steg und ein Vogelbeobachtungshaus aus lebenden Weiden. Zwei neue Fußgängerbrücken von sechs Metern Spannweite sollen in Kürze im Saarland in die Höhe wachsen. Die eine wird einen Lehrpfad schmücken, die andere einen Bach in einem Naturpark überspannen. In den Schubladen liegen schon die Pläne für eine zwanzig Meter lange Brücke über den deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße. Sogar eine Anfrage für ein Hotelzimmer haben die drei Visionäre auf dem Tisch. "Es ist durchaus möglich, dauerhaft bewohnbare Gebäude aus Bäumen zu verwirklichen. Langfristig ist das unser erklärtes Ziel", betont Ferdinand Ludwig, einer der drei Architekten.

Das Tragwerk für die ausgefallenen Konstruktionen bilden bislang dünne, hochgewachsene Weiden, die dicht an dicht gepflanzt werden. Indem einige in die Schräge, andere in die Senkrechte sprießen, entsteht ein Netzwerk. "Wenn sich die Bäume berühren und aneinander gebunden werden, wachsen sie an dieser Stelle zusammen und bilden einen Knoten. Das ist eine Art "Baumschweißen", beschreibt Ludwig die Bauweise. Derzeit entwickeln die Baubotaniker die Verwachsungstechniken weiter. Sie möchten eine Art lebende Fachwerksstruktur erschaffen. Knicken, abschneiden und sägen sind dabei Tabu. Auch auf Nägel und Schrauben verzichten sie in der Regel.

Allerdings werden durchaus künstliche Materialien verwendet: Der 22 Meter lange Steg besteht beispielsweise aus Metallgitterrosten, die von insgesamt 64 Weidenrutenbündeln getragen werden. Bei den Pavillons spannen die Bäume ein orangefarbenes Textilsegel auf. Für Hannes Schwertfeger, den Architekturtheoretiker im Bunde, gehört dieser Symbiose die Zukunft: "Die Trennung zwischen Natur und Artefakt wird aufgelöst. Man wird künftig in Koproduktion mit der Natur bauen."

Kritiker fürchten jedoch, dass die Pflanzen unter den künstlichen Lasten leiden. Ludwig hält dem entgegen: "Dem Baum ist es egal, ob er Blätter trägt oder ein Auto – solange er genügend Blätter hat, um seine Lebensfunktion aufrecht zu erhalten." Die Pflanze werde von Anfang an darauf trainiert, Beanspruchungen Stand zu halten. Allmählich verdicken sich die Zellwände im Holz und der Stamm wird stabiler. Dies ist ein natürlicher Anpassungsvorgang, den sich die Baubotaniker zunutze machen.

Allerdings können die Weiden die Last nicht immer von Anfang an schultern. Bei einem größeren Pavillon in Freiburg wurde das Textil-Dach über den Winter herausgenommen, da die Pflanzen die Schneelast noch nicht tragen können. Die Naturbrücke über die Neiße wird erst nach etwa sieben Jahren begehbar sein, nimmt Ferdinand Ludwig an: "Da muss man etwas Geduld mitbringen."

Zwar wachsen die Weiden sehr schnell und lassen sich bequem durch Stecklinge vermehren. Aber die Baumart weist die Architekten auch in Grenzen. Sie benötigt viel Licht und Wasser, weshalb die bisherigen Bauten allesamt an lichten Stellen in Parks errichtet wurden. "An schattigen Plätzen und in Städten gedeihen Weiden nicht gut", räumt Ludwig ein.

Deshalb züchten die Baubotaniker jetzt gemeinsam mit der Gruppe für Pflanzenbiomechanik des Botanischen Gartens der Universität Freiburg neue Bäume, die es auch in der Stadt etwa im Schatten eines Hochhauses aushalten. Im Gewächshaus gedeihen bereits drei Meter hohe und zwei Zentimeter dicke Platanen.

Wie im schattigen Unterholz schießen die Bäume in die Höhe, wenn bestimmte Blau- und Rotlichtanteile gefiltert werden. "Außerdem schützen wir die Bäume vor Wind. Dadurch werden die Stämme dünner", beschreibt Thomas Speck, Chef des Freiburger Biomechanikteams. Diese Verhältnisse stellen die Botaniker im Gewächshaus nach, um Platanen für ihre Bauten zu züchten. Künftig will Speck auch Pappeln, Ahorn und Eschen zu Baustoff formen. Danach sollen Lianen folgen, die ideale Seile für Hängebrücken abgeben können, wie traditionelle Bauwerke der Indios bezeugen.

Der Freiburger Botaniker ist überzeugt, dass die lebenden Konstruktionen künftig einen festen Platz in der Architektur einnehmen werden. "Heute bauen wir immer noch für die Ewigkeit. Das ist im Grunde ein Irrsinn", meint er. Ein Gebäude werde oft nicht länger als eine oder eine halbe Generation gebraucht. Bäume sterben nach dieser Zeit einfach ab. Ein Abriss wäre überflüssig. Pilze und Bakterien könnten dann den Abrissbagger ersetzen.

Bücher:

Zdenek Cerman, Wilhelm Barthlott, Jürgen Nieder: "Erfindungen der Natur. Bionik - Was wir von Pflanzen und Tieren lernen können", Rowohlt Taschenbuch Verlag 2005, ISBN-13: 978-3499620249, 17,90 Euro.

Ferdinand Ludwig, Oliver Storz: "Mit lebenden Pflanzen konstruieren – Baubotanik", In: Baumeister, Jahrgang: 102, Nr. 11, 2005, 7,00 Euro.

Werner Nachtigall: "Natur macht erfinderisch", Ravensburger Buchverlag 2007, ISBN-13: 978-3473551491, 12,95 Euro.

ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner
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Ingolf

Odysseus

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Re: Lebende Häuser und Brücken - BauBotaniker und Biomechanik
« Antwort #1 am: 14-März-2008, 14:04 »

Ich bin sehr dafür,
Naturmaterialien wie Holz oder auch Lehm in Gebäuden einzusetzen, fühle mich aber deutlich unwohl bei dem, was in dem Artikel beschrieben wird.
Warum?

Man instrumentalisiert lebende Gewächse in einem Maße und zu einem Zweck, der der Stellung dieser Wesen in der Natur nicht gerecht wird. Der sie vergewaltigt. Der sie pervertiert. Der das Gesamtbild, das wir von diesen Wesen haben, unseren Eindruck, unsere Wertschätzung mindert. Der sie einordnet in ein Mittel-zum-Zweck-System.

Ein Baum, der in einem Wald steht, ist eingefügt in einen Gesamtzusammenhang, den Wald; in einen Gesamtsinn, den wir als harmonisch, als ästhetisch, als schön und Zufriedenheit, Erholung spendend, als Quelle der Kraft empfinden. Nicht umsonst ist der Wald so ein integraler Bestandteil des Gefühls- und Welterlebens der Romantiker, wird er besungen in vielen Volksliedern ("Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben...".
Ein Baum, der vor einem Haus, in einer Stadt steht, wirkt für sich, vermittelt aber auch noch etwas von der Schönheit eines Geschöpfes im Naturzusammenhang.
Und ein Baum, der solitär irgendwo steht, kann den Menschen so viel persönliche Bereicherung geben, dass sie von weither kommen, um ihn anzugucken, kann Künstler inspirieren (Caspar David Friedrich, Sischuwa), an ihm elementar Menschliches darzustellen (auch Wälder: Sequoia USA; Naturpark Bayrischer Wald können das): Wir sehen in der Natur, was in uns ist.

Ein Baum, eine Weide oder eine Eiche oder was auch immer, der mit allen möglichen Tricks auf Dauer wider seine Natur niedergebuckelt wird, um eine Brücke zu formen, über die man hinweglatscht, ist kein Baum mehr, sondern eine arme, verhunzte Kreatur.

Ich meine, einen Baum kann man nötigenfalls "erziehen", das heißt, ihm helfen, seine Natur zu entfalten (beispielsweise wenn ihm ein starker Wind den Wipfel weggerissen hat; aber man sollte ihm nicht eine wirklich im Wortsinn perverse (= verdrehte) Funktion aufgeben, und ihn so entwürdigen und degradieren und als Instrument benutzen. Ich will nicht, dass man das macht.

Auch das Ausstellen und Weiterzüchten mancher mutierter Formen wie "Trauerwuchs" bei Zeder oder Mammutbaum halte ich dem Grunde nach für pervers.
In manchen früheren Zeiten hat man auch Zwergwüchsige, Wasserköpfige oder sonstwie verunstaltete Menschen in Wanderzirkussen zur Schau gestellt. Das ist vorbei.

Ich hab, glaube ich, mal an anderer Stelle geschrieben, da hat so ein 'Künstler' Langhölzer mit Hilfe von Dampf und großen Industriepressen in bizarre, unnatürliche Formen gedrückt; auch für mich ein Beispiel für eine Perversion.

Ich bin mir eigentlich sicher und froh darüber, dass dem oben vorgestellten Projekt keine große Zukunft beschieden sein wird.

Der eine ist ein Birnbaum, der andere eine Eiche. Ich will Bäume sehen, wie sie sind.

Viele Grüße
Walter
« Letzte Änderung: 14-März-2008, 14:08 von Odysseus »
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isbg33

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Re: Lebende Häuser und Brücken - BauBotaniker und Biomechanik
« Antwort #2 am: 14-März-2008, 15:06 »

Hallo Walter!

Ich meine, aus dem Blickwinkel "Baum" darf man das nicht lesen sondern eher mit "Holz". Also

totes Holz <----> lebendes Holz als Baumaterial.

Und das mit der Zukunft ist auch eine riskante Sache - vieles, was für uns heute selbstverständlich ist, haben frühere Zeitgenossen als "unmöglich" klassifiziert.
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Grüsse aus Stuttgart!
Ingolf

Odysseus

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Re: Lebende Häuser und Brücken - BauBotaniker und Biomechanik
« Antwort #3 am: 14-März-2008, 18:16 »

Zitat
Hallo Walter!
Ich meine, aus dem Blickwinkel "Baum" darf man das nicht lesen sondern eher mit "Holz". Also
totes Holz <----> lebendes Holz als Baumaterial.

Und das mit der Zukunft ist auch eine riskante Sache - vieles, was für uns heute selbstverständlich ist, haben frühere Zeitgenossen als "unmöglich" klassifiziert.

Hi Ingolf,
(Lebendes Holz ist kein Baumaterial; dahinter ist ein Baum oder ein Gewächs)
ich sehe das aus dem Blickwinkel Mensch.
Ein Mensch darf einen anderen Menschen nicht instrumentalisieren (als Mittel zum Zweck missbrauchen) - und auch nicht Bäume auf die oben angesprochene Weise.
Er erniedrigt sich damit selbst.

Vielleicht noch mal anders herum: Tiere sind vor Jahren als Mitgeschöpfe anerkannt worden (Tierschutzgesetz: Änderung). Vorher waren sie Sachen. Sachen kann man nicht quälen. Tierquälerei gab's also nicht.
Bäume sind ebenfalls Mitgeschöpfe. Man missbraucht sie nicht. Man respektiert ihre Natur - und vergewaltigt sie nicht zu dem, was einem gerade so in den Kram passt.

Ich hobele ein Brett, ich haue einen Baum um, der einem anderen schadet, ich mache Brennholz (Ich hab schon etliche Stallhasen geschlachtet; alles okay) - aber ich verkrüppele und verunstalte und quäle keinen Baum in eine idiotische Brücke. Das mache ich nicht.
Es ist wider die Natur. Ich sag sogar, es ist widerlich. Echt.
(Tut mir leid, ich kann das so aus dem Stegreif im Moment nicht besser erklären und hab nicht die Zeit. Bei Schillers Briefen zur "ästhetischen Erziehung des Menschen" finden sich Anklänge, schätze ich.)

Viele Grüße
Walter
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isbg33

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Re: Lebende Häuser und Brücken - BauBotaniker und Biomechanik
« Antwort #4 am: 14-März-2008, 20:54 »

Hallo Walter!
Zunächst  einmal: ich bin weit davon entfernt, hier den BauBotaniker und die Biomechanik propagieren zu wollen.
Aber etwas diskutieren kann man schon mal.

ich sehe das aus dem Blickwinkel Mensch.
Bäume sind ebenfalls Mitgeschöpfe. Man missbraucht sie nicht. Man respektiert ihre Natur - und vergewaltigt sie nicht zu dem, was einem gerade so in den Kram passt.
- aber ich verkrüppele und verunstalte und quäle keinen Baum in eine idiotische Brücke.

Ich akzeptiere Bäume als Geschöpfe! Als Mitgeschöpfe ? weiß ich nicht. Da werden sie mir zu sehr in die menschliche Nähe gerückt.

Ich meine, dass Du in Deiner Entgegnung zu sehr menschliche Empfindungen in die Bäume projezierst.
Nach meinen Vorstellungen von dieser Welt kann man Bäume nicht vergewaltigen oder quälen. Man kann sie mißgestalten, wobei das ja auch schon wieder das menschliche Empfinden voraussetzt.

Unsere Zeit experimentiert an allen Ecken und Enden mit dem Leben. Warum sollen da nicht ein paar junge Botaniker mit Bäumen experimentieren?

Zweifellos sind Bäume Lebewesen - aber doch in einer ganz anderen Dimension als Tier und Mensch.
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Grüsse aus Stuttgart!
Ingolf

Odysseus

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Re: Lebende Häuser und Brücken - BauBotaniker und Biomechanik
« Antwort #5 am: 14-März-2008, 21:46 »

Zitat
Ich meine, dass Du in Deiner Entgegnung zu sehr menschliche Empfindungen in die Bäume projezierst.
Nach meinen Vorstellungen von dieser Welt kann man Bäume nicht vergewaltigen oder quälen. Man kann sie mißgestalten, wobei das ja auch schon wieder das menschliche Empfinden voraussetzt.

Unsere Zeit experimentiert an allen Ecken und Enden mit dem Leben. Warum sollen da nicht ein paar junge Botaniker mit Bäumen experimentieren?

Zweifellos sind Bäume Lebewesen - aber doch in einer ganz anderen Dimension als Tier und Mensch.

Hi Ingolf,
glaube ich nicht.
Wenn ich das so mache wie die "Baubotaniker", verletze ich ein Bild, eine Vorstellung, wie ich sie in mir habe, von den Bäumen als Teil der Schöpfung, der Schönheit der Welt.

Unser "menschliches Empfinden" deutet die Welt. Daher glaube ich,
es ist ein ästhetisches und ein moralisches Prinzip, das da verletzt wird.

Ein Experiment ist für mich was anderes.

Vielleicht siehst du jetzt meine Perspektive.
Wenn es nicht so ist, wie mir scheint; auch nicht so wild.

Was mich in dem Fall beruhigt, es ist nichts, das irgendwie einen großen Schaden verursachen wird. Also können wir uns gemütlich darüber streiten. LOL.

Schöne Ostern und viele Osterhasen :-)
Walter
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