Interessante Diskussion !
Ich habe bei meinem 'Eichengrove' (zukünftiger Urwald) absichtlich und experimentell Eicheln von verschiedenen, aus meiner Sicht besonders interessanten Bäumen Deutschlands gesammelt, um einen neuartigen Genpool zu schaffen. Die Ergebnisse geben allerdings der forstlichen Lehre bisher Recht: Die regionalen Herkünfte wachsen generell besser, würde ich nicht eingreifen wäre der Endbestand ganz von selber zu 99% regional. Allerdings beabsichtige ich einzelne Bäume absichtlich etwas zu fördern.
Einige Exemplare zeigten erwartungsgemäß auch deutlich, daß sie NICHT an das regionale Klima angepasst sind, etwas durch buschigen Wuchs (wegen ständig erfrierender Knospen) oder zu lange geile Triebe die umfallen.
Was will ich damit sagen ? Daß zumindest im Bergischen Land das Klima noch lange nicht so verändert ist, daß die regional angepassten Arten nicht mehr optimal angepasst wären. In anderen Regionen Deutschlands mag das eventuell anders sein (ist mir aber nicht bekannt).
Nun noch zu Remis 'Inzuchterholung' (Purging). In der Tat kann man durch Rückkreuzen (über mehrere Generationen, das bedeutet mindestens viele Jahrzehnte) mittelfristig alle 'nachteiligen' Gene ausfallen lassen. In der Praxis bedeutet das, bei Sterblichkeiten von über 90%, daß am Ende ein sehr reinerbiger Bestand entsteht (in Remis Beispiel also alle AA BB CC ...).
Diesem Bestand fehlt dann aber auch jede ökologische Flexibilität. Es kann ja sein, daß nach Einwandern eines neuen Schädlings, oder einer Klimaänderung, die vormals nachteiligen Gene a,b,c auf einmal einen Vorteil bedeuten. Nehmen wir mal an, sie verlangsamen das Wachstum, dafür wird aber auch festeres Gewebe gebildet (weniger Stickstoff, weniger Wasser...), dann könnte das vor Pilzbefall retten.
Solche Rückkreuzungen sind aber auf jeden Fall eine valide Bereicherung eines auf Diversität angelegten Genpooles, vorausgesetzt, es gibt viele verschiedene 'Typen'. Das Ergebnis der gegenseitigen Bestäubung wird dann aber wieder ein zufälliges Set sein, sozusagen ein Kuddelmuddel, der nicht mehr automatisch eine spezifische Anpassung bedeutet. Aus diesen Nachkommen könnte man dann aber für verschiedene Standorte neue 'Varietäten' finden. Man hätte vermutlich relativ viele 'extreme' Varianten dabei.
Die insgesamt verfügbaren Merkmale dürften aber (Mutationen mal beiseitegelassen) immer noch weitgehend denen der urheimatlichen Groves entsprechen, und man könnte dieselben Varietäten auch direkt aus diesem Genpool heraus finden. Wobei man dann vielleicht sehr viel größere Mengen braucht, um ähnlich viele 'extreme' Varianten zu finden.
Eine ganz neue Situation ergibt sich eigentlich nur, wenn man Herkünfte verschiedener Groves mischt, die sich in einigen Genen unterscheiden (was m.W. auch bei BM noch nicht belegt eindeutig wurde), oder wenn Mutationen auftreten (die übrigens auch durch Crossing over entstehen).
Genau das macht man aber, wenn man Nachkommen hier angepflanzter Bäume anzieht, da diese Bäume wenigstens anteilig ursprünglich unterschiedlicher Herkunft sein dürften. Wobei diese Herkunft oft total unbekannt und sehr oft auch nie dokumentiert wurde.
Es wäre aber effizienter, direkt Samen aus verschiedenen Groves zu beziehen, weil dieser Unterschied dann erst gesichert ist.
Egal welche Herkünfte man wählt, ob ein Individuum für eine bestimmte Region was taugt kann man nur sehen, wenn es auch den typischen, unter Umständen sehr harten, Bedingungen ausgesetzt wird. Diese Selektion von Individuen ist aber immer nur für eine bestimmte Umwelt (inklusive Boden) gültig, und ob die Nachkommen dieser Individuen diese Kern-Eigenschaften noch aufweisen, ist eher Glückssache.
Meine kleine BM-Anpflanzung (von insgesamt circa 20 Bäumen im 'Altbestand') ist als Genpool angelegt, ohne daß ich vom Resultat klare Vorstellungen habe, einfach weil es interessant ist und Spaß macht.
http://de.wikipedia.org/wiki/PurgingNoch kurz zum nativen Metasequoia-Bestand in China. Ein Grund warum es dort praktisch keine Naturverjüngung gibt, ist, weil die Einheimischen bei sehr vielen, vor allem den großen Bäumen regelmässig und bis in die Krone alle Äste abschneiden (ich bin nicht sicher warum, vermute aber Brennholz und eventuell Viehfutter ? - verboten ist nämlich nur das Fällen und sie nutzen diese 'Lücke' in den Vorschriften aus Peking) und (evtl. im gleichen Arbeitsgang?) praktisch alle Zapfen ernten die sie kriegen können, weil es eine große Nachfrage nach diesen Samen gibt. Auch Naturverjüngung wird sofort ausgegraben.
Übrigens handelt es sich auch hier um ein Refugium, nicht um ein Relikt einer ehemals sehr weiträumigen Population. Metasequoia war vor mehr als 2 Mio Jahren in Asien bis auf eine Restpopulation auf den Japanischen Inseln ausgestorben, von der die jüngsten Fossilien circa 1,5 Mio Jahre alt sind. Das definitive Aussterben der letzten kleinen Population (Grove) auf den Japanischen Inseln könnte natürlich auch viel später gewesen sein, ohne daß es Spuren davon gibt.
Interessanterweise deutet das genetische Muster und die Altersstruktur der kleinen, sogenannten Ur-Population in Südchina auf eine Erstbesiedlung durch Pioniere hin, die noch nicht solange zurückliegen kann, vielleicht sogar weniger als 2000 Jahre. Damit wäre (und das ist jetzt meine Idee) sogar eine ursprüngliche Anpflanzung durch Menschen möglich (man bedenke das Alter der Chinesischen Kultur) oder jedenfalls mutualistische Beziehungen wie etwa beim Ginkgo.
[] Cindy Q. Tang, Yongchuan Yang, Masahiko Ohsawa, Arata Momohara, Masatoshi Hara, Shaolin Cheng and Shenghou Fan (2010): Population structure of relict Metasequoia glyptostroboides and its habitat fragmentation and degradation in south-central China. Biological Conservation Vol. 144, Issue 1, January 2011, Pages 279-289.