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Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen

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sequoiaundco:
Hallo Chris Benjamin,

Deine Bedenken und Erfahrungen bzgl. Forstvermehrungsgutgesetz kann ich als Baumschulbetreiber nur z. T. nachvollziehen. Sinnvoll ist das Gesetz insofern, als es unter forstwirtschaftlichen und –genetischen Aspekten für die Erhaltung und Förderung bestimmter Genressourcen sorgt.  Die Anforderungen für „ausgewähltes“ bzw. "quellengesichertes“ Vermehrungsgut" (z.B. Mindestalter, Mindestfläche, Mindestbaumzahl, Mindestbaumzahl bei Ernte, bes. Merkmale u.ä.) sind auch für MB-Saatgutsammler gute Kriterien. Ansonsten ist für MB-Vermehrer wichtig, dass die drei MB-Arten dort nicht erfasst sind.
S. Anlage 1 in: http://www.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Elementbibliothek/LVwA-Bibliothek/Landwirtschaft_und_Umwelt/Referat_408_-_Forst-_und_Jagdhoheit/gGA-Empfehlungen.pdf
Dass es nach breiten Sturmschäden zu Engpässen in der Versorgung mit entsprechenden Saatgut oder Pflanzen kommen kann, finde ich auch verständlich.
Das ganze Thema hat übrigens mit Sortenechtheit nichts zu tun, die du auch ansprichst. Hierbei geht es um Patente und Lizenzen, also um hart umkämpfte Marktvorteile.

Du fragst: Was würdest du also vorschlagen?

Wichtig ist zuallererst die Einsicht, dass man MB nichts Gutes tut, wenn man auf kurzfristig Anzuchterfolge setzt, aber die langfristigen Folgen außer Acht lässt. Bäume zu beernten, bei denen man aufgrund ihrer Position oder der Häufung einheitlicher Klone von Selbstung/Selbstbestäubung ausgehen muss, ist m. M. n. der Art gegenüber verantwortungslos, zumindest wenn die Produkte die Grenzen des eigenen (Vor-)Gartens überschreiten und sich vielleicht irgendwann natürlich oder menschlich initiiert weitervermehren. Ich weiß, es klingt hart und leider unrealistisch, aber eigentlich müsste für solche „ausgewilderten“ Exemplare das Motto gelten: Ein Dendrologe braucht ein hartes Herz und eine scharfe Säge. Eine Projektförderung durch den MB-Verein würde in solchen Fällen sicherlich dem Vereinsziel widersprechen.

Positiv gewendet bedeutet das:

- Einzeln oder in Kleinstgruppen stehende „Plusbäumen“ oder einheitliche Klonbeständen sollten grundsätzlich nur vegetativ vermehrt werden.
- Eine generative Vermehrung über Samen kommt nur infrage in herkunftssicheren Großbeständen oder in Samenplantagen, die entsprechenden Anforderungen entsprechen (s. a. obigen Link).

Bei den drei MB-Arten ergeben sich verschiedene Möglichkeiten:

Bei Sequoiadendron braucht man das Rad nicht neu erfinden. Hier gibt es in Deutschland mehrere Herkunftsvergleiche, eine Samenplantage und herkunftssichere Großbestände (z.B. 156 Exemplare aus Atwell Mill u. v. a. mehr), auf die man zurückgreifen kann, wenn geprüfte Originalstandorte als Quelle nicht zugänglich sind. Einige, zu wenige nutzen diese Möglichkeiten. Natürlich ist auch Stecklingsvermehrung (aus dem Kronenbereich) bei älteren Plusbäumen möglich. Auch wenn der spätere Habitus meist nicht dem von Sämlingspflanzen entspricht, wird so der Genpool erhalten, da die ganz „Alten“ ausnahmslos aus Samen gezogen wurden.

Bei Metasequoia sieht das ganz anders aus. Hier müssen wir davon ausgehen, dass 99, ...% aller in Deutschland vorhandenen Exemplare z. T. einklonige Stecklingsnachkommenschaften von den wenigen Mutterpflanzen sind, die nach der Entdeckung in Europa landeten bzw. angezogen wurden. Die wenigen Sämlingsbestände von Originalstandorten in China (z.B. ID14113) kommen erst allmählich in die Reifejahre. Samen aus älteren fruktifizierenden Beständen sind also fast 100%ig Produkte von Selbstbestäubung und Inzucht.
Um den Genpool zu erweitern, kommt bei Metasequoia eigentlich nur die Aussaat mit chinesischem Saatgut in Frage. Eine Alternative wäre der Aufbau einer klonbasierten Samenplantage nach Isozymanalysen der deutschen Bestände unter Hinzunahme der gut dokumentierten amerikanischen und chinesischen Klone. 

Bei Sequoia sempervirens gibt es inzwischen einige ältere Pflanzen, die hinsichtlich Frost- und Trockenheitstoleranz als anbaufähig in milden Gegenden Deutschlands eingeschätzt werden können. Allerdings ist ihre Herkunft z. T. nicht (mehr) dokumentiert (s. Martin, Nimsch), meist stehen sie einzeln in Parks oder sind reine Klonplantagen unklarer Herkunft (z.B. Burgholz). Auch hier müsste erst einmal mittels Genanalysen Klarheit geschaffen werden, bevor bei Samenernten Inzuchtmaterial entsteht. In den letzten Jahren angezogene Jungpflanzen aus meist nördlichen Herkünften müssen erst noch härtere Bewährungsproben bestehen. Um gesicherte Aussagen über die Anbaufähigkeit von KM auch in kälteren Regionen machen zu können, stehen wissenschaftliche Untersuchungen für ausnahmslos alle Exemplare noch aus.   

chris  (sequoiaundco)

heiquo:
Perfekt erläutert, Chris!!
 :)
Müsste so mal im Wiki festgehalten werden!

Gruß  Heiko

sequotax:
Hallo Chris,

gefällt mir sehr, was du da schreibst !

Nur ich sehe die Inzucht bei Pflanzen nicht gar so kritisch:

Um bestimmte erwünschte Eigenschaften zu verstärken und unerwünschte herauszuzüchten, wird normalerweise auch gerne rückgekreuzt !

Die Rekombination mit dem eigenen Erbgut hat natürlich den enorm großen Nachteil, dass die meisten Nachkommen krank sind.
Warum ist das so ?

Nemen wir einmal an, ein Baum braucht die Eigenschaften A, B, C, D, E, F, G und H, um überhaupt lebensfähig zu sein (die Eigenschaften a, b, c, d, e, f, g und h sind krank).
Unser Baum hat nun folgendes Genom:  Aa, Bb, Cc, Dd, Ee, Ff, Gg und Hh
Er ist gesund, obwohl er von jedem Merkmal nur ein gesundes Allel hat !
Kreuze ich ihn mit sich selbst, hat die nächste Generation für Merkmal A die Kombimöglichkeiten:  1. AA  2. Aa  3. aA  4. aa
Überlebensfähig sind nur die ersten drei, da sie das Merkmal A haben (also 3/4 = 75%) !
Die Merkmale A und B haben nur 3/4 * 3/4 = 9/16 = 56%
Die Merkmale A, B, C, D, E, F, G und H haben nur noch 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 = 10%
(Und es gibt natürlich hunderte lebenswichtige Merkmale...)
Hat ein Lebewesen mit diploidem Chromosomensatz auch nur einige wenige Schwachstellen in seinem Erbgut, ist bei Inzucht die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass mindestens eine von diesen reinerbig (aa) auftritt...

Aber: Natürlich gibt es auch die Möglichkeit einer Pflanze mit dem Genom:  AA BB CC DD EE FF GG HH
Dann hat man die Schwachstellen herausgezüchtet !

Beim Rückkreuzen wird man demnach große Verluste erwarten können aber auch einige wenige exzellente Z-Bäume !

LG,  Remi

Bakersfield:
Hallo Züchter und Hobbygenetiker,

ich habe diese Diskussion hier aus dem "Wer züchtet was"-Thread ausgeklinkt. Ist wohl inhaltlich zu wertvoll, um sie dort zu verstecken, woll?

Leider habe ich beim Verschieben versäumt die Überschriften automatisch anpassen zu lassen und musste dies daher manuell machen. Daher meine Änderungshinweise unter euren Beiträgen... ;)

Verschobene Grüße,
Frank

xandru:
Hallo,

Eine tolle Diskussion.

@Remi: Vielen Dank für deine Ergänzung. Wir kennen uns nicht so aus in Genetik und haben und gefragt, ob Selbstbestäubung nicht ausschließlich Klone der Mutter-Vater-Elter-Pflanze hervorbringt. Dann habe ich bei Wikipedia was gelesen von diploiden Zellen bei Gefäßpflanzen.

Ist es nun so, dass von den beiden leicht divergierenden Kopien der Erbinformation das Kind immer nur komplett den einen Strang oder komplett den anderen Strang bekommt? Dann gäbe es (Mutationen außen vor gelassen) nur vier Kind-Typen (wobei hier nicht mehr A=erwünscht und a=unerwünscht bedeuten):

* ABCDE…
ABCDE…
* ABCDE…
abcde…
* abcde…
ABCDE…
* abcde…
abcde…Oder ist die genetische Varianz der Nachkommenschaft größer, indem mal ein Abschnitt vom einen Strang und mal ein Abschnitt vom anderen Strang weitergegeben wird:
* ABCdE…
aBcdE…
* aBCDe…
abcdE…
* usw.Genetisch überforderte Grüße,
Wolfgang

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