Mammutbäume (öffentlicher Bereich) > Experten- und Fachbeiträge
Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
sequoiaundco:
Hallo Dennis,
natürlich hast du Recht, wenn du auf Selbstbestäubungsmöglichkeiten auch in dichten Baumbeständen hinweist. Auch habe ich nicht dem neuen Besitzer der Sequoiafarm vorgeschlagen, die Hälfte der KM raus zu schlagen, schließlich hat er ja deren Erhaltung als Vereinsziel.
Unsere ganze Diskussion hat für mich allerdings zu dem Resultat geführt, dass der Bestand der selektierten Schenck-Grover dort als Saatgutquelle nicht infrage kommt.
Denn die Hälfte (20) der dortigen KM sind vorwüchsige, einklonige Stecklingspflanzen des Mutterbaums1. Jede Wahrscheinlichkeitsrechnung würde belegen, dass das Inzucht-Risiko bei Sämlingen von dort ziemlich hoch ist.
Du hast auch darin Recht, dass man die aussortieren kann. Aber wer soll das wie machen?
Libbys Untersuchungsergebnisse (s.o. link) zeigen, dass die Symptome erst mit zunehmendem Alter deutlicher werden und dass sie sich nicht in irgendwelchen Monstrositäten sondern in verlangsamtem Wachstum und höherer Stressanfälligkeit äußern.
Ich stelle mir mal einen Hobby-Botaniker und MB-Fan vor, der Kaldenkirchener KM-Samen anzieht. Stolz wird er seine Pflänzchen päppeln, sie düngen, wässern und vor schädlichen Einflüssen schützen. Er wird evtl. Gen-Schäden gar nicht erkennen, da er jahrelang alle Mängel auf äußere Umstände zurückführt und sie durch seine intensive Pflege kompensiert. Wahrscheinlich hat er auch keine Vergleichsmöglichkeiten. Starke Abweichungen wird er vielleicht sogar noch als besonders attraktive Varietät weiterverbreiten (s. der Martinsche Zwiesel).
Als Baumschulist kenne ich das gut: Wenn Jungpflanzen kränkeln oder zurückbleiben, denkt man zuerst an äußere Ursachen und versucht diese zu verbessern. Dabei sind die genetischen Anlagen mindestens so wirksam aber leider in der vorliegenden Generation nicht beeinflussbar (s. Schaubild). Eigentlich macht dann nur die Vernichtung Sinn. Zumindest hier im Forum habe ich bisher noch von keinem Hobby-MBler gehört, dass er seine bekanntermaßen Inzucht-MB vernichtet hat.
chris (seuoiaundco)
sequotax:
Hallo Chris,
ich sehe das nach wie vor entspannter als du:
- Die Bäume, die bei Inzucht entstehen und trotzdem wachsen, können ja von gesünderen Exemplaren verdrängt werden. Die Sieger beweisen durch ihre bloße Existenz, dass sie lebenstauglich sind.
- In der nächsten Generation können die Schwachstellen außerdem wieder verschwinden !!!
Die Begründung habe ich schon früher anklingen lassen:
Inzuchtbäume sind schwach, weil meist auch reinerbig schlechte Gene kombiniert sind (z.B. AA Bb CC DD ee ff GG Hh, wobei jetzt ee und ff krank machen...).
Kreuzt man den Baum in der nächsten Generation mit einem zweiten, der die Merkmale E und F besitzt, können hingegen völlig gesunde Nachkommen erwartet werden !
Es ist also NICHT notwendig, alle Inzuchtpflanzen zu vernichten !
Ganz im Gegenteil haben die kräftigsten ihrer Art bereits bewiesen, dass sie auch viele gute Anlagen besitzen...
Rückkreuzungen sind in der Pflanzenzucht eine gängige Methode, um schlechte Merkmale herauszuzüchten !
Wenn ein Plusbaum allerdings primär sehr viele Schwachstellen hat, die lediglich durch Heterozygotie ausgeglichen werden, so ist bei Inzucht praktisch überhaupt nicht mit vitalen Nachkommen zu rechnen...
Natürlich bin ich nach wie vor ebenfalls für ein breites genetisches Potenzial !!!
LG, Remi
denniz:
Hallo Chris,
Sind die 20 Klone wirklich alle vom Mutterbaum 1?
Das wäre ja fürchterlich!
Ich habe den Verdacht, dass eine Befruchtung unter hiesigen Klimabedingungen ebenfalls einen
Nachteil seien könnte, unabhängig von der Frage der Fremd- oder Selbstbestäubung.
Sobald mehrere Bäume verschiedener Herkunft zusammenstehen ist diese Frage offen.
Nur die Warscheinlichkeit der Fremdbstäubung kann erhöht werden. Die Befruchtung findet
ebenfalls unter sehr schlechten Bedingungen statt, Kälte kann auch eine Fremdbestäubung
bei der Meiose negativ beeinflussen. Die Diskussion ist so zumindest bei der Vermehrung von Sequoia
auf verschiedenen Ebenen wichtig, die sich sogar gegenseitig beeinflussen. Stecklingsvermehrung
ist also bei Plusbäumen sehr empfehlenswert, es sollte aber darauf geachtet werden, dass gleiche Klone
maximal von einander entfernt stehen, oder, je nach Anzahl der Bäume in der Pflanzung, erst gar kein Klon
mehrfach vorhanden ist, was bei der Anzahl der verfügbaren Individuen schwierig ist.
Sagen wir mal es gibt maximal 30-40 individuelle KM die für Zone 7b noch funktionieren könnten, je nach
Standort, in 7a wären es dann nur noch vielleicht 10-20, in 6b dann vielleicht noch 5.
Die Idee einer Saatgutplantage hängt doch also stark von der Anzahl der möglichen Individuen der Art ab,
die bei Sequoia in Zone 7 ja nun sehr gering ist.
Es gibt also neben ungewissen oder gewissen Herkünften aus Übersee nur die Möglichkeit den einen oder anderen
Sämling aus den hiesigen Beständen zu ziehen, und möglichst alle erprobten Herkünfte zusammenzutragen.
Der Bernt hat da eine ganz nette Liste ins Netz gestellt auf seiner Homepage.
Hoffentlich hat er da einen guten Pflanzplan erstellt, damit da in 20 Jahren nicht das gleiche Problem
wie in der Farm oder im Burgholz auftaucht...
@ Remi: Soweit ich das verstanden habe, weiss man noch fast nichts über das Kreuzungsverhalten von
Sequoia, weil sich die poliploiden Genanlagen sehr schwierig analysieren lassen.
sammelwütigen Gruß
DNS
sequoiaundco:
Hallo Remi,
danke für deinen erneuten Entspannungsversuch und deine fundierten Hintergrundinformationen. Getreu dem Motto „Die Natur wird´s schon richten!“ können wir uns eigentlich ruhig im Sessel zurücklehnen und abwarten. Allerdings haben heutzutage die europäischen Landschaften, der deutsche Wald und insbesondere die Ansiedlung von KM wenig mit Natur zu tun, sondern sind Ausdruck gezielten menschlichen Handelns.
Deine Ausführungen entsprechen sicher der theoretischen Genetik und sind vielfach unter laborähnlichen Bedingungen bei Züchtungen von kurzlebigen Kulturpflanzen belegt. Ich sehe da allerdings wichtige Unterschiede zu unseren bisherigen KM-Überlegungen:
1. Wir können davon ausgehen, dass das hiesige Klima (Temperatur und Trockenheit) für KM insgesamt eine große Stressbelastung darstellt. Libbys Untersuchungen (s.o.) haben gezeigt, dass Inzucht-KM besonders stressanfällig und deshalb bei uns wahrscheinlich kaum überlebensfähig sind.
2. Die Inzuchtsymptome entwickeln sich erst nach Jahren und sind nicht direkt erkennbar.
3. (Rück-)Züchtungen sind nur über mehrere Baumgenerationen denkbar. Wer plant/denkt heute noch so langfristig?
4. Das Kreuzungsverhalten von Sequoia scheint noch recht unüberschaubar (s. Dennis).
5. Die nachhaltige Etablierung einer neuen Baumart in Forst und Landschaft ist erfolgsabhängig; die hervorragenden Merkmale der Baumart sollten schon baldmöglichst sichtbar sein, sonst wird man sie nicht akzeptieren.
6. Wer würde schon bewusst minderwertige, erbgutgeschädigte KM in seine Flächen setzen oder als Baumschule verkaufen, mit dem Argument, die Natur wird´s schon ausmerzen oder vielleicht in 100 Jahren einige tolle Rückzüchtungen hervorbringen.
Meine Schlussfolgerung: Vorbeugen ist besser/einfacher als Rückzüchten. Deshalb Hände weg von inzuchtgefährdeten Beständen bei der Samenernte, dazu gehören leider auch die Sequoiafarm, Burgholz, FoBo Köln (u. a.?).
Hallo Dennis
Auch den Martins ging´s vorrangig um kurzfristige vorzeigbare Erfolge (Klimatoleranz, Wüchsigkeit). So musste vorwiegend der auffallend wüchsige Mutterbaum1 zur Stecklingsvermehrung herhalten. Stark gebeutelt wurde er bald von seinen eigenen Klonen überwachsen. Genetische Überlegungen spielten damals noch kaum eine Rolle.
Die Befruchtung ist übrigens nicht nur unter hiesigen Klimabedingungen schwierig, da wetterabhängig. Auch im KM-Ursprungsgebiet bes. im Norden fällt die Ernte oft jahrlang aus oder ist nur spärlich, wenn es in der Pollenflugzeit (Okt. - Jan.) viel Regen gibt. Grundsätzlich sollte man – und das gilt für alle Samenernten – nur in Vollmastjahren beernten und zwar aus der Mitte der Bestände, da dort die Fremdbestäubungsquote am höchsten ist.
Übrigens ganz entspannt chris (sequoiaundco)
denniz:
Hallo Chris,
Dass du mit deinen Aussagen zum Thema Samenernte hier im Forum nicht auf
Gegenliebe stösst liegt doch in der Natur der Sache, denn viele Züchter hier machen genau das,
ohne über irgendwelche Folgen nachzudenken. Auch ist eine genaue Bezeichnung von verschiedenen
Herkünften sehr wichtig, (z.b.Klon Chaos SF oder Burgholz) irgendwann kann sich keiner mehr
erinnern welcher Baum welcher ist.
Ich hatte mir selber über diese Fragestellung noch zu wenige Gedanken gemacht,
so sind meine Juglans mandshurica mit panaschierten Blättern sicherlich genetisch in die
"Versuche mit der Inzucht"-Kategorie einzuordnen.
Ich hoffe es haben sich auch andere "Samensammler" die vielleicht deine Ausführungen gelesen haben nun
ein par Gedanken gemacht. Es ist vielleicht auch nicht so einfach zuzugeben oder einzusehen, dass
man etwas "falsch" gemacht hat. Sogar die "Profis" machen solche Fehler, wie man bei der
Metasequoia-Klonarmee im deutschen Forstexperiment sehen kann, oder wie bei den
"Vorzeigeklonen" in der Sequoiafarm. Natürlich ist so eine Wissenschaft vielschichtig, und wird immer wieder
von neuen Erkenntnissen verändert, vervollständigt oder wiederlegt.
Der Schutz einer Art, insbesondere der Mammutbäume, um die es ja im Mammutbaumverein geht,
sollte dann doch aber vor der persönlichen Eitelkeit stehen...
undogmatischen Gruß
Denniz
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