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Autor Thema: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen  (Gelesen 82372 mal)

sequoiaundco

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Liebe Mammutbaumzüchter

Bei aller Eurer Freude über Keimung und Anwachsen von selbst gesammeltem Saatgut, die ich sehr gut nachvollziehen kann, muss ich Euch ehrlich sagen, dass mich die Liste Eurer Herkünfte (häufig einzelne Mutterbäume oder Kleinstgruppen) auch erschreckt. Langfristig unter genetischen Gesichtspunkten betrachtet bewirken m. M. n. Eure „Züchtungserfolge“ das Gegenteil der wahrscheinlich intendierten MB-Förderung. Im WIKI schrieb ich dazu:
 
Sequoienanbau sichert Genressourcen
Der Anbau von Sequoien außerhalb ihres Herkunftsgebietes, wo sie durch Abholzung und Klimawandel sehr unter Druck sind, sichert den Fortbestand der Arten:[16]
Voraussetzung dafür, aber auch für den Erhalt einer genetischen Variationsbreite, die eine breite Anpassung ermöglicht, ist die generative Vermehrung geeigneter Herkünfte, Aufbau von Samenplantagen und Ausbildung von sog. Landrassen. Bei Sequoiadendron sind die ersten Schritte dazu gemacht, bei Metasequoia auch, allerdings nur in USA und China. Bei Sequoia sempervirens beschränkt sich die Verbreitung hier bisher auf zufällige Absaaten und selektierte Klone, obwohl sie unter den Koniferen durch Genomgröße und hohe genetische Diversität hervorsticht, was eine große Anpassungsfähigkeit vermuten lässt (Ahuja, 2009).
Eine weitere Voraussetzung für einen nachhaltigen Genpool ist neben der Auswahl geeigneter Bestände die Beerntung. Sie sollte möglichst nur in Vollmastjahren und im Zentrum von größeren Beständen durchgeführt werden, wo ein starker Pollenflug die Befruchtung durch viele Mutterbäume ermöglicht hat. Das Auspflanzen von Mammutbäumen in die freie Landschaft, die aus Absaaten von Einzelbäumen oder einheitlichen Klonbeständen stammen und somit Produkte von Selbstung/Selbstbestäubung sind, sollte auf jeden Fall vermieden werden. Eine starke Einengung der genetischen Variationsbreite wäre die Folge mit entsprechenden Degenerationserscheinungen bei der Einzelpflanze und langfristig der Niedergang der Art.“



chris   (sequoiaundco)
« Letzte Änderung: 10-Januar-2013, 12:40 von sequoiaundco »
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Bakersfield

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #1 am: 10-Januar-2013, 14:03 »

Hi Chris,

du hast sicherlich recht damit, dass der Genpool hier bei uns nicht zu klein und eng sein darf. Daher werde ich auch später noch einige US-Herkünfte und die Samen aus Escherode und Atwell Mill von dir aussäen.

Ich gehe auch davon aus, dass bei den heimischen Herkünften die natürliche Auslese dafür sorgt, dass gar keine großen Anzahlen ausgepflanzt werden könnten.

Und einige wenige Bäume werden schon nicht den Fortbestand der Art bei uns gefährden.

Das Verhältnis von US zu Europa bei meinem BM-Nachwuchs wird sich wohl
langfristig auf 2:1 einpendeln.

Relative Grüße,
Frank
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 15:45 von Bakersfield »
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cbk

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #2 am: 10-Januar-2013, 14:18 »

Moin Chris,
was würdest du also vorschlagen?

Sollte man möglichst gleich auf einem ganzen Hektar Mammutbaum-Stecklinge tausendfach pflanzen, damit sie sich gegenseitig (und eben nicht jeder Baum sich selber) bestäuben können?
Natürlich müßten die Stecklinge dann aus verschiedenen Forst-Baumschulen kommen, damit man nicht an der Stelle schon tausende Klone auspflanzt.
Oder halt Samen aus allen Gegenden holen, alles zusammenkippen und aufziehen?

Leider sehe ich bei so einer Aktion (also dem Auspflanzen von Bäumen auf breiter Front) noch ein ganz anderes Problem. In Deutschland ist es leider so, daß man Samen nur aus zertifizierten Beständen gewinnen darf, wenn man professionell (also gewerblich) an die Sache herangeht. Selbst die Baumschulen haben da schon große Probleme überhaupt an zertifizierte Samen zu kommen.

Das Spektakel habe ich schon mehrfach mit der Baumschule, in der ich üblicherweise kaufe, durch. Da frag ich öfters mal nach diesem oder jenem Bäumchen und sie dürfen es mir nicht verkaufen. An Samen oder Stecklinge zu kommen, wäre dabei kein Problem, zumal der gesuchte Baum dort sogar im Privatgarten des Inhabers steht. Aber da nicht zertifiziert, darf er nicht. Der guckt mich dann jedesmal so :'( an.
Ganz extrem war es vor ein paar Jahren, als nach dem Orkan Kyrill wieder massiv aufgeforstet werden sollte. Es gab allerdings noch weniger Samen als sonst, weil auch ein Großteil der zertifizierten Bestände in den Staatsforsten weg waren und man sich ja nicht einfach woanders bedienen darf.

Das Alles dient wohl der Sorten-Reinhaltung. Sonst könnte es ja ein Martin mit einem Glaucum treiben und ein uneheliches Kind dabei rumkommen.  :P


Gruß
Chris Benjamin
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 15:46 von Bakersfield »
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heiquo

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #3 am: 10-Januar-2013, 15:05 »

Geb dir da schon "genetisch" Recht Chris,

plane aber zb keine Hektar-Monokultur mit BM´s aus Mühlhausen. Meine 1jährigen sind recht gemischt aus amerikanischen Herkünften, viele Escheröder (bekanntlich sehr viel verschiedenes Saatgut aus US), Weinheimer,..... Wenn davon 20-30 Bäume später auf meinem Grundstück und im Umfeld stehen, ist das für mich "Hobby-Mammutfreund" genug genetische Vielfalt in dem Hinblick.

Grüße Heiko
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 15:46 von Bakersfield »
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steffen129

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #4 am: 11-Januar-2013, 09:39 »

Hallo Chris B
Du schreibst:
Zitat
Das Spektakel habe ich schon mehrfach mit der Baumschule, in der ich üblicherweise kaufe, durch. Da frag ich öfters mal nach diesem oder jenem Bäumchen und sie dürfen es mir nicht verkaufen. An Samen oder Stecklinge zu kommen, wäre dabei kein Problem, zumal der gesuchte Baum dort sogar im Privatgarten des Inhabers steht. Aber da nicht zertifiziert, darf er nicht. Der guckt mich dann jedesmal so an.
Ganz extrem war es vor ein paar Jahren, als nach dem Orkan Kyrill wieder massiv aufgeforstet werden sollte. Es gab allerdings noch weniger Samen als sonst, weil auch ein Großteil der zertifizierten Bestände in den Staatsforsten weg waren und man sich ja nicht einfach woanders bedienen darf.
Aus diesen gründen bin ich zur selbstzucht von allen Baubarten übergegangen. 
Ich ziehe seit 20 Jahren weitestgehend die Bäume für meine 20 HA wald selbst. ich sag nicht das mann auch welche abgibt.
Da weiß ich wo das Saatgut herkommt da selbst gesammelt oder geerntet.
BMs hab ich wenn nur aus größeren beständen da ist es wie bei jeder anderen Baumart, die Bestäubung ist besser.

Also dann fang an selbst aufzuziehen dann hast du deine Bäume..............
LG Steffen
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 15:46 von Bakersfield »
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Steffen der Waldfreund aus Thüringen

sequoiaundco

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #5 am: 12-Januar-2013, 15:14 »

Hallo Chris Benjamin,

Deine Bedenken und Erfahrungen bzgl. Forstvermehrungsgutgesetz kann ich als Baumschulbetreiber nur z. T. nachvollziehen. Sinnvoll ist das Gesetz insofern, als es unter forstwirtschaftlichen und –genetischen Aspekten für die Erhaltung und Förderung bestimmter Genressourcen sorgt.  Die Anforderungen für „ausgewähltes“ bzw. "quellengesichertes“ Vermehrungsgut" (z.B. Mindestalter, Mindestfläche, Mindestbaumzahl, Mindestbaumzahl bei Ernte, bes. Merkmale u.ä.) sind auch für MB-Saatgutsammler gute Kriterien. Ansonsten ist für MB-Vermehrer wichtig, dass die drei MB-Arten dort nicht erfasst sind.
S. Anlage 1 in: http://www.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Elementbibliothek/LVwA-Bibliothek/Landwirtschaft_und_Umwelt/Referat_408_-_Forst-_und_Jagdhoheit/gGA-Empfehlungen.pdf
Dass es nach breiten Sturmschäden zu Engpässen in der Versorgung mit entsprechenden Saatgut oder Pflanzen kommen kann, finde ich auch verständlich.
Das ganze Thema hat übrigens mit Sortenechtheit nichts zu tun, die du auch ansprichst. Hierbei geht es um Patente und Lizenzen, also um hart umkämpfte Marktvorteile.

Du fragst: Was würdest du also vorschlagen?

Wichtig ist zuallererst die Einsicht, dass man MB nichts Gutes tut, wenn man auf kurzfristig Anzuchterfolge setzt, aber die langfristigen Folgen außer Acht lässt. Bäume zu beernten, bei denen man aufgrund ihrer Position oder der Häufung einheitlicher Klone von Selbstung/Selbstbestäubung ausgehen muss, ist m. M. n. der Art gegenüber verantwortungslos, zumindest wenn die Produkte die Grenzen des eigenen (Vor-)Gartens überschreiten und sich vielleicht irgendwann natürlich oder menschlich initiiert weitervermehren. Ich weiß, es klingt hart und leider unrealistisch, aber eigentlich müsste für solche „ausgewilderten“ Exemplare das Motto gelten: Ein Dendrologe braucht ein hartes Herz und eine scharfe Säge. Eine Projektförderung durch den MB-Verein würde in solchen Fällen sicherlich dem Vereinsziel widersprechen.

Positiv gewendet bedeutet das:

- Einzeln oder in Kleinstgruppen stehende „Plusbäumen“ oder einheitliche Klonbeständen sollten grundsätzlich nur vegetativ vermehrt werden.
- Eine generative Vermehrung über Samen kommt nur infrage in herkunftssicheren Großbeständen oder in Samenplantagen, die entsprechenden Anforderungen entsprechen (s. a. obigen Link).

Bei den drei MB-Arten ergeben sich verschiedene Möglichkeiten:

Bei Sequoiadendron braucht man das Rad nicht neu erfinden. Hier gibt es in Deutschland mehrere Herkunftsvergleiche, eine Samenplantage und herkunftssichere Großbestände (z.B. 156 Exemplare aus Atwell Mill u. v. a. mehr), auf die man zurückgreifen kann, wenn geprüfte Originalstandorte als Quelle nicht zugänglich sind. Einige, zu wenige nutzen diese Möglichkeiten. Natürlich ist auch Stecklingsvermehrung (aus dem Kronenbereich) bei älteren Plusbäumen möglich. Auch wenn der spätere Habitus meist nicht dem von Sämlingspflanzen entspricht, wird so der Genpool erhalten, da die ganz „Alten“ ausnahmslos aus Samen gezogen wurden.

Bei Metasequoia sieht das ganz anders aus. Hier müssen wir davon ausgehen, dass 99, ...% aller in Deutschland vorhandenen Exemplare z. T. einklonige Stecklingsnachkommenschaften von den wenigen Mutterpflanzen sind, die nach der Entdeckung in Europa landeten bzw. angezogen wurden. Die wenigen Sämlingsbestände von Originalstandorten in China (z.B. ID14113) kommen erst allmählich in die Reifejahre. Samen aus älteren fruktifizierenden Beständen sind also fast 100%ig Produkte von Selbstbestäubung und Inzucht.
Um den Genpool zu erweitern, kommt bei Metasequoia eigentlich nur die Aussaat mit chinesischem Saatgut in Frage. Eine Alternative wäre der Aufbau einer klonbasierten Samenplantage nach Isozymanalysen der deutschen Bestände unter Hinzunahme der gut dokumentierten amerikanischen und chinesischen Klone. 

Bei Sequoia sempervirens gibt es inzwischen einige ältere Pflanzen, die hinsichtlich Frost- und Trockenheitstoleranz als anbaufähig in milden Gegenden Deutschlands eingeschätzt werden können. Allerdings ist ihre Herkunft z. T. nicht (mehr) dokumentiert (s. Martin, Nimsch), meist stehen sie einzeln in Parks oder sind reine Klonplantagen unklarer Herkunft (z.B. Burgholz). Auch hier müsste erst einmal mittels Genanalysen Klarheit geschaffen werden, bevor bei Samenernten Inzuchtmaterial entsteht. In den letzten Jahren angezogene Jungpflanzen aus meist nördlichen Herkünften müssen erst noch härtere Bewährungsproben bestehen. Um gesicherte Aussagen über die Anbaufähigkeit von KM auch in kälteren Regionen machen zu können, stehen wissenschaftliche Untersuchungen für ausnahmslos alle Exemplare noch aus.   

chris  (sequoiaundco)
« Letzte Änderung: 21-Januar-2013, 09:49 von sequoiaundco »
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heiquo

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #6 am: 12-Januar-2013, 17:04 »

Perfekt erläutert, Chris!!
 :)
Müsste so mal im Wiki festgehalten werden!

Gruß  Heiko
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 15:47 von Bakersfield »
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sequotax

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #7 am: 13-Januar-2013, 15:00 »

Hallo Chris,

gefällt mir sehr, was du da schreibst !

Nur ich sehe die Inzucht bei Pflanzen nicht gar so kritisch:

Um bestimmte erwünschte Eigenschaften zu verstärken und unerwünschte herauszuzüchten, wird normalerweise auch gerne rückgekreuzt !

Die Rekombination mit dem eigenen Erbgut hat natürlich den enorm großen Nachteil, dass die meisten Nachkommen krank sind.
Warum ist das so ?

Nemen wir einmal an, ein Baum braucht die Eigenschaften A, B, C, D, E, F, G und H, um überhaupt lebensfähig zu sein (die Eigenschaften a, b, c, d, e, f, g und h sind krank).
Unser Baum hat nun folgendes Genom:  Aa, Bb, Cc, Dd, Ee, Ff, Gg und Hh
Er ist gesund, obwohl er von jedem Merkmal nur ein gesundes Allel hat !
Kreuze ich ihn mit sich selbst, hat die nächste Generation für Merkmal A die Kombimöglichkeiten:  1. AA  2. Aa  3. aA  4. aa
Überlebensfähig sind nur die ersten drei, da sie das Merkmal A haben (also 3/4 = 75%) !
Die Merkmale A und B haben nur 3/4 * 3/4 = 9/16 = 56%
Die Merkmale A, B, C, D, E, F, G und H haben nur noch 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 * 3/4 = 10%
(Und es gibt natürlich hunderte lebenswichtige Merkmale...)
Hat ein Lebewesen mit diploidem Chromosomensatz auch nur einige wenige Schwachstellen in seinem Erbgut, ist bei Inzucht die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass mindestens eine von diesen reinerbig (aa) auftritt...

Aber: Natürlich gibt es auch die Möglichkeit einer Pflanze mit dem Genom:  AA BB CC DD EE FF GG HH
Dann hat man die Schwachstellen herausgezüchtet !

Beim Rückkreuzen wird man demnach große Verluste erwarten können aber auch einige wenige exzellente Z-Bäume !

LG,  Remi
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 15:47 von Bakersfield »
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Bakersfield

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #8 am: 13-Januar-2013, 15:51 »

Hallo Züchter und Hobbygenetiker,

ich habe diese Diskussion hier aus dem "Wer züchtet was"-Thread ausgeklinkt. Ist wohl inhaltlich zu wertvoll, um sie dort zu verstecken, woll?

Leider habe ich beim Verschieben versäumt die Überschriften automatisch anpassen zu lassen und musste dies daher manuell machen. Daher meine Änderungshinweise unter euren Beiträgen... ;)

Verschobene Grüße,
Frank
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xandru

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #9 am: 13-Januar-2013, 16:55 »

Hallo,

Eine tolle Diskussion.

@Remi: Vielen Dank für deine Ergänzung. Wir kennen uns nicht so aus in Genetik und haben und gefragt, ob Selbstbestäubung nicht ausschließlich Klone der Mutter-Vater-Elter-Pflanze hervorbringt. Dann habe ich bei Wikipedia was gelesen von diploiden Zellen bei Gefäßpflanzen.

Ist es nun so, dass von den beiden leicht divergierenden Kopien der Erbinformation das Kind immer nur komplett den einen Strang oder komplett den anderen Strang bekommt? Dann gäbe es (Mutationen außen vor gelassen) nur vier Kind-Typen (wobei hier nicht mehr A=erwünscht und a=unerwünscht bedeuten):
  • ABCDE…
    ABCDE…
  • ABCDE…
    abcde…
  • abcde…
    ABCDE…
  • abcde…
    abcde…
Oder ist die genetische Varianz der Nachkommenschaft größer, indem mal ein Abschnitt vom einen Strang und mal ein Abschnitt vom anderen Strang weitergegeben wird:
  • ABCdE…
    aBcdE…
  • aBCDe…
    abcdE…
  • usw.
Genetisch überforderte Grüße,
Wolfgang
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 16:57 von xandru »
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sequoiaundco

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #10 am: 13-Januar-2013, 18:55 »

Liebe MB-Genetiker,

Bevor ich jetzt Denkarbeit und Berechnungen anstelle, wie das beim polyploiden Chromosomensatz der Sequoia aussähe und wie ich praktisch eine erfolgreiche Rückzüchtung bewerkstelligen könnte, möchte ich Euch auf Untersuchungsergebnisse verweisen, die der bekannte MB-Forscher W. Libby schon anfang der 1980er Jahre genau zu diesem Thema durchgeführt hat. Demnach sind Inzuchtsequoien schon in jüngsten Jahren stressanfälliger und bleiben später im Höhen- und Dickenwachstum sehr deutlich zurück.
 
Libby, W. J., McCutchan, B. G., and Millar, C. I. (1981). Inbreeding depression in selfs of redwood. In Silvae Genetica 30(1): 15-29.
Zusammenfassung: Given the polyploid chromosome constitution of Sequoia sempervirens, there was reason to question whether it would exhibit inbreeding depression. Preliminary results from studies of self and related outcross families are reported as a guide to the selection of trees for redwood seed orchards and breeding-orchards. The data indicate that, compared to outcrosses, selfing produced no additional cone abortion, no consistent effect on number of seeds per cone, and variable effects on germination. Consequently, there relative proportions of inbred and outcrossed offspring produced are normally maintained. Under good nursery conditions, survival of selfs and outcrosses was both high and similar. Under stress nursery conditions, survival was lower for both, but selfs had a much lower survival rate than outcrosses. The selfs were consistently 85-80%; the height of the outcrosses in the nursery, and also after one year in the field. Then inbreeding depression appears to become much more severe. After fourteen years in the field, in the single family available, selfs averaged only 42% the height and 29% the diameter of related outcrosses. It thus appears prudent to restrict inbreeding in redwood seed-orchards.

Der ganze Artikel unter: http://www.fs.fed.us/psw/publications/millar/psw_1981_millar001.pdf

chris  (sequoiaundco)
« Letzte Änderung: 13-Januar-2013, 18:58 von sequoiaundco »
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sequotax

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #11 am: 13-Januar-2013, 19:55 »

Bevor ich jetzt Denkarbeit und Berechnungen anstelle, wie das beim polyploiden Chromosomensatz der Sequoia aussähe und wie ich praktisch eine erfolgreiche Rückzüchtung bewerkstelligen könnte, möchte ich Euch auf Untersuchungsergebnisse verweisen, die der bekannte MB-Forscher W. Libby schon anfang der 1980er Jahre genau zu diesem Thema durchgeführt hat. Demnach sind Inzuchtsequoien schon in jüngsten Jahren stressanfälliger und bleiben später im Höhen- und Dickenwachstum sehr deutlich zurück[/b].

@ Chris:
Zweifelsohne ist das so - aber eben aus genannten Gründen.
Der Mensch hat etwa 25.000 Gene ! (Der KM ?)
Kombinieren sich auch reinerbig schlechte Gene, was bei der Rückkreuzung vermutlich fast immer der Fall ist, kommt halt höchstens ein Mickerling heraus...
(Deren Nachkommen müssten dann aber wieder sehr gut gedeihen, falls man sie mit fremden KMs kreuzen würde...)



@ Wolfgang:  Spannende Frage !

Wäre ein Klon mit diploidem Chomosomensatz (2n) reinerbig für die Merkmale A, B, C, D, E (also AA BB CC DD EE), dann wären automatisch alle Nachkomen bei Inzucht ebenfalls AA BB CC DD EE - logisch !

Hat er aber die Merkmale Aa, Bb, Cc, Dd und Ee gibt es natürlich Kombiniermöglichkeiten !
Jetzt kommt es darauf an, auf welchen Chromosomen diese Merkmale liegen:
1) Liegen sie alle auf einem Chromosom (der Mensch hat 46 Chromosomen - 23 von der Mutter und 23 vom Vater) - also z.B. Chromosom Nr. 1 des Vaters ABCDE und Chromosom Nr. 1 der Mutter abcde, so kann ein Nachkomme theoretisch nur das komplette Chromosom ABCDE oder abcde erhalten.
Also sähen die Nachkommen so aus:  AABBCCDDEE oder AaBbCcDdEe oder aAbBcCdDeE oder aabbccddee !
Es gibt allerdings noch die Möglichkeit eines sehr seltenen Crossing-over, wo bei der Reifeteilung Teile des Chromosoms ausgetauscht werden können. So könnten dann z.B. zeitgleich ein Chromosom ABcde und sein Gegenstück, das Chromosom abCDE, entstehen...
2) Liegen die Merkmale auf verschiedenen Chromosomen (A und a jeweils auf Chromosom Nr.1, B und b jeweils auf Chromosom Nr.2 usw.) sind alle Kombinationen denkbar:  AABBCCDDEE, AABBCCDDEe, AABBCCDDeE, AABBCCDDee, AABBCCDdEE, AABBCCDdEe, AABBCCDdeE, AABBCCDdee, AABBCCdDEE...
(Also in diesem Fall mit 5 Merkmalen 210 = 1024 Möglichkeiten !)



Für sinnvoll halte ich eine Rückkreuzung im Falle des Mammutbaums natürlich auch nicht, eine Art Samenplantage mit mindestens 20 verschiedenen Genotypen hingegen schon !!!


Von Genetik fasziniert,

Remi
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denniz

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #12 am: 15-Januar-2013, 17:02 »

Hallo Freunde der Genetik,

@ Chris: Vielen Dank für dieses ausführliche Statement zur Anzucht von seltenen Gehölzen!
             Dieser Beitrag hat mich weitergebracht!

(Habe gestern zwei Stunden Grundlagen der Genetik gebüffelt um zu verstehen was Remi und Wolfgang
mit der lustigen Buchstabensuppe sagen wollten... ;)  )

Ich denke das lässt sich ohne weiteres auf alle Pflanzen anwenden die entweder sehr selten
oder sehr nah an der Grenze ihrer möglichen Standorte sind. (eingeengter Genpool)

Was den Metasequoia angeht möchte ich daraus schliessen, dass es schon genug Klone der
ersten "Welle" der Verteilung gibt, und nun dringend genetisch diverse Pflanzen zu diesen Klonen
gepflanzt werden sollten, evtl. müssten sogar Klone durch Sämlinge differenten Ursprungs ersetzt werden,
damit die Art bei uns in Zukunft eine Chance hat gesunde Nachfahren zu erzeugen.
Für mich habe ich beschlossen nun nur noch Sämlinge von dem Original-Standort zu ziehen und zu
verbreiten.

Für die Küstenmammuts ist die Sache schon schwieriger. Zwar ist das Verbreitungsgebiet grösser als bei Metasequoia,
da aber die frostempfindlicheren Herkünfte für Westdeutschland ausgeschlossen werden können, ist für die
generative Vermehrung wie Remi schon richtig erwähnt hat, eine grosse Anzahl von Genotypen erforderlich.
Im Burgholz ist dieser Idee im Ansatz verfolgt worden, einige Sämlinge von dort sollen ja ganz brauchbare
Bäume geworden zu sein. Es ist also auch bei Sequoia sinnvoll differente Genotypen zusammenzupflanzen,
um eine zukünftige Samenernte und eine daraus erfolgende Anzucht sinnvoll zu machen.
Bisher scheinen die meisten mitteleuropäischen Naturverjüngungen eher unbrauchbar zu sein.
Die Pflanze die der Micha an RO2222 weitergegeben hat scheint sich gut zu entwickeln, der Steffen129 aus
Thüringen hat auch einen Sämling der nach Micha´s Aussagen sehr vielversprechend ist.



eingeschneiten Gruß
Denniz



« Letzte Änderung: 15-Januar-2013, 18:01 von denniz »
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steffen129

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #13 am: 15-Januar-2013, 20:48 »

Hallo

Na ihr genetiker.

Winterlichen gruß aus Thüringen.
Die KM geschichte entwickelt sich so langsam bei mir, die die ich schon den 3. winter draußenhabe leben noch...
Zitat
Die Pflanze die der Micha an RO2222 weitergegeben hat scheint sich gut zu entwickeln, der Steffen129 aus
Thüringen hat auch einen Sämling der nach Micha´s Aussagen sehr vielversprechend ist.

ja die sieht echt gut aus.
die andren die ich von den Oregons gezogen habe blühen nach 4 Jahren im kommenden jahr schon im topf.
einige hatten den letzten winter nicht geschafft aber die überlebenden sind gut geworden, nun kommen im frühling noch die Hessen KMs aus kronberg ins freie.
na mal sehen wie die kleinen im topf blühen. ich kennne nun auch den Auslöser für die KM blüte. Habe ich anhand der erfahrungen mit anderen Baümen simuliert. dachte nicht das es so simpel ist aber auch pflanzen lassen sich manipulieren.

also dann hofen wir mal das es nicht zu kalt wird und die 1. Blüte der Thüringer KMs kommt.

LG Steffen
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Steffen der Waldfreund aus Thüringen

denniz

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Re: Selbstbestäubungsproblematik/Genetik bei Mammutbäumen
« Antwort #14 am: 15-Januar-2013, 21:07 »

Hi Steffen,
Das hört sich super an! Glückwunsch!


Nachtrag Metasequoia:

http://www.metasequoia.org/deutsch.pdf

Dort ist die Rede von Samenpaketen aus dem Originalbestand die anfänglich um die Welt geschickt wurden.


 

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